Reformation und Romantik. Erkundungen eines vielfältigen Verhältnisses
„Alle sind Priester“, heißt es gut lutherisch in Friedrich Schleiermachers Reden Über die Religion. Novalis ätzte gegen „die heilige Allgemeinheit der Bibel“, von der die Reformatoren ausgegangen seien. „Die Individualität“, deren religiöse Akzentuierung als protestantisches Erbe angesehen werden kann, stellte aus Friedrich Schlegels Sicht „das Ewige im Menschen“ dar. In den Aussagen der drei berühmten Frühromantiker schlägt sich exemplarisch die verschlungene Beziehung von Reformation und Romantik nieder. Ihr soll im Rahmen dieses Workshops ebenso nachgegangen werden wie dem vielfältigen Fortwirken romantischer Motive in der protestantischen Theologie des Zwanzigsten Jahrhunderts, etwa bei Emil Brunner, Hermann Timm und Dorothee Sölle.
Insgesamt lässt sich das Tagungsthema mit der folgenden Frage verbinden: Inwiefern hängen Romantik und Reformation auch insofern zusammen, als die romantische „Neubesinnung auf Religion“ (S. Matuschek) als eines Lebensphänomens, das nicht in äußerlichen Institutionen, Lehrsätzen und Ritualen aufgeht, sondern primär im Unendlichkeitssinn der einzelnen verankert ist, eine reformatorische Grundbewegung wiederholt? Und inwiefern stellt die aus dieser Neubesinnung hervorgegangene romantische Religion gerade unter den Bedingungen einer bisweilen „forcierten Sakularität“ (M. Wohlrab-Sahr) ein immer noch attraktives Modell dar, das möglicherweise seine Zukunft noch vor sich hat?
Eine themenbezogene Stadtführung durch Wittenberg und eine abendliche Lesung des Schriftstellers Feridun Zaimoglu runden das Programm ab.
Organisatoren: Matthis Glatzel, Dr. Karl Tetzlaff
Trägerinstitutionen: DFG-Graduiertenkolleg „Modell Romantik“ an der FSU Jena, Stiftung LEUCOREA an der MLU Halle-Wittenberg
Anmeldungen bis zum 01. April 2024 an: becker@leucorea.uni-halle.de
Programm
Montag, 27. Mai 2024
bis 12 Uhr | Anreise
12:30 – 14 Uhr | Stadtführung „Wittenberg romantisch“
Dr. Insa‐Christine Hennen, Lutherstadt Wittenberg
14 – 14:30 Uhr | Eröffnung des Workshops
Matthis Glatzel, Jena
Dr. Karl Tetzlaff, Halle/Wittenberg
A – ROMANTISCHE REFORMATIONSREZEPTIONEN
14:30 – 15:30 Uhr | Vortrag I
Die Bibel pluralisieren. Novalis’ frühromantische Kritik am protestantischen Schriftprinzip
PD Dr. Yvonne Al‐Taie, Kiel
15:30 – 16:30 Uhr | Vortrag II
„Die Individualität ist das Ewige im Menschen“. Protestantische Individualitätskultur in der Romantik
Dr. Karl Tetzlaff, Halle/Wittenberg
16:30 – 17 Uhr | Kaffeepause
17 – 18 Uhr | Vortrag III
„Geselligkeit als des ‚Zweifels Weihe‘. Lebensweg
und allgemeines Priestertum in W. M. L. de Wettes Theodor-Roman (1822) vor dem Horizont der protestantischen Theologie und Frömmigkeit seiner Zeit“
PD Dr. Peter Schüz, München
18 – 19:30 Uhr | Gemeinsames Abendessen
19:30 – 21 Uhr | Öffentliche Abendveranstaltung
Zwischen Luther und Lore Lay
Lesung und Gespräch mit Feridun Zaimoglu
Moderation: PD Dr. Sandra Kerschbaumer, Jena
im Anschluss geselliges Beisammensein im Bibliotheksraum/Lectorium
Dienstag, 28. Mai 2024
B – PROTESTANTISCHE ROMANTIKREZEPTIONEN
9 – 10 Uhr | Vortrag IV
Reformation oder Romantik? Romantikkritik
bei Emil Brunner und in der Dialektischen Theologie
Prof. Dr. Alf Christophersen, Wuppertal
10 – 10:30 Uhr | Kaffeepause
10:30 – 11:30 | Uhr Vortrag V
Von den Nachtwachen zum Nachtgebet? Romantische Motive bei Dorothee Sölle
Prof. Dr. Elisabeth Hartlieb, Marburg
11:30 – 12:30 Uhr | Vortrag VI
„Heilige Revolution“. Hermann Timms theologische Entdeckung der Romantik
Prof. Dr. Christan Senkel, Halle
12:30 – 13:30 Uhr | Mittagspause
13:30 – 14:30 Uhr | Impulsreferat und Abschlussdiskussion
Matthis Glatzel, Jena