"SANDMANN"
In die Erscheinung der schönen Olimpia verliebt sich der Student Nathanael und vergisst darüber seine Verlobte Clara. Clara hatte ihm mit klugem Verstand und sachlicher Argumentation dargelegt, dass er in der Begegnung mit dem Wetterglashändler Coppola nicht auf den Augen ausreißenden Sandmann aus kindlichem Schauermärchen getroffen ist, dass es vielmehr ein Zufall sei, wenn Coppola dem Advokaten Coppelius ähnelte, mit dem Nathanaels Vater einst alchimistische Experimente gemacht hatte, und dass schließlich die Erinnerung an den traumatischen Verlust seines Vaters ihn Furcht und Wirklichkeit nur zusammendenken ließe. Als Nathanael, sehr zu ihrem Verdruss, ihr wieder einmal eine seiner vielen dunklen Dichtungen vorliest, fragt er sich, ob Clara überhaupt in der Lage ist, seine Gedanken- und Gefühlstiefe nachzuempfinden, und schimpft sie einen „leblosen Automaten“. Wie anders ist seine Begegnung mit Olimpia, die ihn mit nur sehr wenigen Worten („Ach! Ach!“), seltsam fernem Blick und fast zu perfekten Bewegungen tief in seinen Bann zieht. Bis der Glashändler Coppola nicht nur Olimpias Augen blutig für sich beansprucht und die schlimmsten Alpträume der Kindheit mit Wucht in die Welt treten.
„Der Sandmann“ aus der Sammlung der „Nachtstücke“ hat Dichter wie Poe, Dickens, Dostojewski und Gogol beeinflusst. E.T.A. Hoffmann inszeniert darin nicht nur einmal mehr den Grenzbereich zwischen Wahn und Wirklichkeit, sondern mit dem Motiv des Automatenmenschen die Urangst vor Künstlich-Lebendigem und als humorvolles Nebenbei: wie sich ein Mann nur von der eigenen Projektion tief verstanden fühlt.