Romantische Ironie und ihre Kritik | Entwicklung und Modell
Natürlich gibt es die Ironie lange vor der Romantik. Schon in der Antike entwickeln sich die beiden Traditionslinien der philosophisch-sokratischen und der rhetorischen Ironie. In Platons Darstellung der sokratischen Ironie wird diese, über ein gesprächstechnisches Mittel hinaus, zu einer Erkenntnisform, einer lebensprägenden Geisteshaltung. Diese ist bestimmt durch eine fragende und suchende Haltung, ein sich selbst relativierendes und reflektierendes Denken, eine nicht zum Abschluss gelangende gedankliche Bewegung. Mit der Einsicht in die begrenzte Einsichtsfähigkeit tritt uns Sokrates in den platonischen Dialogen entgegen. Eine klare begriffliche Fassung der Ironie als rhetorische Figur findet sich dagegen in der antiken Rhetoriktheorie. Man kennt die Definition von Quintilian, nach der Ironie das Gegenteil des Gesagten zum Ausdruck bringt. An diese Bestimmung schließt sich eine reiche Forschungsliteratur an, die auf verschiedensten Wegen versucht hat, den Charakter dieser Relation näher zu bestimmen. [1] Peter L. Oesterreich betont, dass die uneigentliche Redeweise, in der der Ausdruck des eigentlich Gemeinten durch einen semantisch entgegengesetzten Ausdruck substituiert wird, eine Gemeinsamkeit mit der sokratischen Ironie hat: In beiden Fällen werde mit der Möglichkeit des anders-sein-Könnens der Rede oder des Lebens, also mit Kontingenz gespielt, das Bewusstsein für ein problematisches Verhältnis von Gemeintem und Gesagtem, Wesen und Erscheinung geschärft. [2] Auch wenn die komplexe Form der Ironie als sich selbst zurücknehmendes Denken seit der Antike fortwirkt, ändert sich mit der Romantik etwas Grundlegendes. Worin diese Änderung im Kern besteht, welche Problemkomplexe die romantische Ironie und ihre Kritik verhandeln, soll im Folgenden skizziert werden. Es gilt, ein Modell auszumachen, dessen Variationen bis heute ästhetische, erkenntnistheoretische und (identitäts-)politische Debatten grundieren.
Ironie und Romantik
Friedrich Schlegel entwickelt seine Ironie-Konzeption vornehmlich in seinen Lyceums- und Athenäums-Fragmenten. Er unternimmt dies zu Zeiten der Transzendentalphilosophie, während einer Phase revolutionärer historischer Umbrüche und enorm beschleunigten gesellschaftlichen Wandels: Die Französische Revolution als Epochenereignis stellt die politische Ordnung in Frage, ein wirtschaftlicher Umbau der Gesellschaft tritt neben den anhaltenden Prozess der Säkularisierung. Die Religion gerät zunehmend in Konkurrenz zur wissenschaftlichen Welterklärung. Schlegels Philosophie der Ironie – so hat es Uwe Japp formuliert – wird zu einer an moderne Probleme angepassten kommunikativen und mentalen Strategie. [3] Sie reagiert auf die Freisetzung der Individuen und die Erosion metaphysischer Letztbegründungen. Die Romantiker hatten Kant studiert und aus dessen Kritiken gelernt, dass dem menschlichen Erkenntnisvermögen eine absolute Wahrheit, die Dinge an sich, nicht zugänglich seien. Fichte hatte darüberhinausgehend betont, dass es das Subjekt sei, das alle Wirklichkeit erst aus sich selbst heraus erschaffe.
„Die Grundbehauptung des Philosophen, als eines solchen, ist diese: So wie das Ich nur für sich selbst sey, entstehe ihm zugleich nothwendig ein Seyn ausser ihm; der Grund des letzteren liege im ersteren, das letzere sey durch das erstere bedingt: Selbstbewusstseyn und Bewusstseyn eines Etwas, das nicht wir selbst – seyn solle, sey nothwendig verbunden; das erstere aber sey anzusehen als das bedingende, und das letztere als das bedingte.“ [4]
Es gilt Niklas Luhmanns pointierte Bemerkung zum erkenntnistheoretischen Einschnitt am Ende des 18. Jahrhunderts: „Der Mensch verliert seine Objektivität, der Subjekte gegeben sind. Er selbst wird zum Subjekt, das sich und allen anderen zugrunde liegt“. [5] Das neue Selbstbewusstsein kann und muss sich und die Welt gestalten. Dabei gelingt es ihm nicht mehr, wie selbstverständlich auf einen absoluten Grund des Seins zugreifen. Eine vorreflexive metaphysische Einheit lässt sich zwar annehmen, aber nicht mehr einfach erfahren – weder innerhalb des Subjekts noch in der äußeren Welt.
„Jeder ist von Natur getrieben, ein Absolutes zu suchen; aber indem er es für die Reflexion fixieren will, verschwindet es ihm. Es umschwebt ihn ewig, aber er kann es nicht fassen. Es ist nur da, inwiefern ich es nicht habe, und inwiefern ich es habe, ist es nicht mehr.“ [6]
Nicht nur Schelling formuliert das Problem, auch Novalis, wenn er in seinen Fichte-Studien beschreibt, wie wenig es der philosophischen Reflexion möglich sei, an den absoluten Grund des Denkens zu gelangen und wie konsequent daraus folgen müsse, den Prozess des Suchens auf Dauer zu stellen:
„Durch das freywillige Entsagen des Absoluten entsteht die unendlich freye Thätigkeit in uns – das Einzig mögliche Absolute, was uns gegeben werden kann und was wir nur durch unsre Unvermögenheit ein Absolutes zu erreichen und zu erkennen, finden. Dies uns gegebne Absolute läßt sich nur negativ erkennen, indem wir handeln und finden, daß durch kein Handeln das erreicht wird, was wir suchen.“ [7]
Es gibt ein nicht still zu stellendes Streben des Menschen nach einem höchsten Prinzip – und das Wissen darum, dies nicht erfassen zu können. Folgt aus diesen Annahmen die mentale und kommunikative romantische Strategie, von der Uwe Japp spricht? Friedrich Schlegel setzt in einem für diese Frage zentralen Lyceums-Fragment die philosophisch-sokratische Ironie vom rhetorischen Tropus ab und bestimmt die Ironie wie folgt:
„Die sokratische Ironie ist die einzige durchaus unwillkürliche und durchaus besonnene Verstellung. Es ist gleich unmöglich sie zu erkünsteln und sie zu verraten. Wer sie nicht hat, dem bleibt sie auch nach dem offensten Geständnis ein Rätsel. Sie soll niemand täuschen, als die, welche sie für Täuschung halten, und entweder ihre Freude haben an der herrlichen Schalkheit, alle Welt zum besten zu haben, oder böse werden, wenn sie ahnden, sie wären auch wohl mit gemeint. In ihr soll alles Scherz und alles Ernst sein, alles treuherzig offen und alles tief versteckt. Sie entspringt aus der Vereinigung von Lebenskunstsinn und wissenschaftlichem Geist, aus dem Zusammentreffen vollendeter Naturphilosophie und vollendeter Kunstphilosophie. Sie enthält und erregt ein Gefühl von dem unauflöslichen Widerstreit des Unbedingten und des Bedingten, der Unmöglichkeit und Notwendigkeit einer vollständigen Mitteilung. Sie ist die freieste aller Lizenzen, denn durch sie setzt man sich über sich selbst weg; und doch auch die gesetzlichste, denn sie ist unbedingt notwendig.“ [8]
Die klassisch rhetorische Entgegensetzung zwischen einem Gemeinten und einem Gesagten weicht einem unauflöslichen Spiel der Gegensätze („Ernst“ und „Scherz“, „offen“ und „versteckt“, „Naturphilosophie“ und „Kunstphilosophie“). Allerdings darf man nicht übersehen, dass es sich nicht um ein Oszillieren zwischen beliebigen Ausdrucksformen oder eine einfache „Verstellung“ handelt, sondern dass Schlegels Ironie auf den „Widerstreit“ des „Bedingten“ und des „Unbedingten“ zielt. Das anhaltende Bedürfnis, ein Höchstes anzusprechen, verbindet sich auch hier mit der Einsicht, dieses Ziel unvermeidlich zu verfehlen und führt zu einer vom ironischen Sprecher signalisierten paradoxen „Unmöglichkeit“ und „Notwenigkeit“ einer vollständigen Mitteilung. [9] Zur „freiesten aller Lizenzen“ wird die Sokrates zugeschriebene ironische Haltung durch Selbstdistanzierung und Spiel – ‚gesetzlich‘ ist sie, weil sie ihren erkenntniskritischen Voraussetzungen nicht entkommt.
Ästhetisch gesehen ist die Ironie Teil jener ‚Universalpoesie‘, die Schlegel in seinem 116. Athenäums-Fragment skizziert, einer Kunst, die zugleich zeigt, wie es sein soll und wie es nicht sein kann. Nach der berühmten Schilderung dessen, was die romantische Poesie alles vereinigen möchte (Gattungen der Poesie, Genialität und Kritik, Leben und Gesellschaft), heißt es dort:
„Nur sie [die romantische Poesie, S.K.] kann gleich dem Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters werden. Und doch kann auch sie am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frei von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der Mitte schweben, diese Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen.“ [10]
Die poetische Ambition, eine weltumspannende Einheit zu entwerfen, wie dies dem antiken und dem mittelalterlichen Epos noch gelang, beobachtet die romantische Poesie reflexiv. Indem sie frei in der Mitte zwischen einem Realen und einem Idealen schwebt, sich in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfältigt, distanziert und perspektiviert sie das eigene Erkenntnisverlangen, löst es nicht ein, sondern erklärt es zu einer endlosen Aufgabe. Die Potenzierung in der Spiegelreihe spricht davon, dass sich ein letztes wahres Bild der „umgebenden Welt“ und „des Zeitalters“ auch der poetischen Reflexion entzieht. [11] Jure Zovko fasst dies so zusammen: Das „Wechselspiel von sinnorientiertem Enthusiasmus und der alles in Frage stellenden Skepsis bleibt Schlegels Antwort auf den antinomischen ‚Widerstreit des Unbedingten und des Bedingten‘“. [12] Dieser Widerstreit führt unweigerlich zur Ironie.
Die Fähigkeit zum ironischen Wechselspiel wertet die Poesie als Erkenntnismittel auf: Immerhin kann die Einbildungskraft schweben, in der Kunst einen Raum schaffen, in dem die Versöhnung von Gegensätzen denkbar ist, eine paradoxe Fülle entfalten, Gesagtes offenhalten – dies gilt in gewisser Weise auch für eine unsystematische und ästhetische Art des Philosophierens. Zuletzt hat Daniel-Pascal Zorn eine ‚bildende‘ Philosophie am Rande der Philosophiegeschichte stark gemacht, deren Vertreter ein „Misstrauen gegen das Bild vom Menschen als dem Erkenner von Wesenheiten“ schüren, und die den systematischen Philosophen des Hauptstroms der Philosophiegeschichte deshalb als Relativisten und Zyniker, als „Störer und Tunichtgute“ erscheinen. [13] Bärbel Frischmann lässt eine ironische Traditionslinie der Philosophie mit dem jungen Friedrich Schlegel beginnen, [14] der Wissen generieren, aber nicht festgeschrieben will. Da die Strenge eines Systems den komplexen Gegenständen der Erkenntnis, ihrer Unzugänglichkeit, ihrer Wandelbarkeit und Interpretierbarkeit nicht gerecht werden kann, gilt es, Entwurf und Rücknahme, Setzungen und deren Auflösung miteinander zu verbinden. [15]
Im letzten Band des Athenäums und dort in seinem Aufsatz „Über die Unverständlichkeit“ betont Schlegel, dass allein eine ironische Haltung das Wissen um das Unverfügbare transportiere, Ironie damit mehr sei als eine Methode für Philosophie, Kunst und Literatur: „Ironie ist eigentlich das höchste Gut und der Mittelpunkt der Menschheit“. [16] Deshalb solle der ironische Vorbehalt nach Ansicht Schlegels nicht nur die ‚Menschheit‘, sondern auch den einzelnen Menschen bestimmen:
„Ein recht freier und gebildeter Mensch müßte sich selbst nach Belieben philosophisch oder philologisch, kritisch oder poetisch, historisch oder rhetorisch, antik oder modern stimmen können, ganz willkürlich, wie man ein Instrument stimmt, zu jeder Zeit, und in jedem Grade.“ [17]
Auch das Ich lässt sich demnach nicht mehr als unwandelbare Einheit erfahren, sondern wird zu einem Ort der Erprobung von Entwürfen. Die Fähigkeit zu einem steten Wechsel von „Selbstschöpfung und Selbstvernichtung“ ist eine Konsequenz aus der transzendentalphilosophischen Aufwertung des erkennenden Subjekts. [18] Sie wird aber auch durch die Ausweitung der gesellschaftlichen Optionen begünstigt, die sich für den Einzelnen durch Säkularisierungs-, Revolutionierungs- und Differenzierungsprozesse ergeben. Das Subjekt des ausgehenden 18. Jahrhunderts ist nicht mehr zwangsläufig das Besondere eines Allgemeinen, eines Standes oder einer Religionszugehörigkeit. Seine Freiheit steigt mit der gesellschaftlichen Durchlässigkeit und den Möglichkeiten, an verschiedenen Bereichen der sich arbeitsteilig ausdifferenzierenden Gesellschaft zu partizipieren. An die Stelle einer „Inklusionsindividualität“ tritt eine „Exklusionsidentität“. So hat Niklas Luhmann den Befund beschrieben, dass ein modernes Ich von keiner sozialen Instanz mehr vollständig bestimmt wird, sondern durch Teilhabe an verschiedenen Bereichen. [19] Im Wissen um die zunehmende Rollenvielfalt und die eigene Setzungsmacht betont Friedrich Schlegel die Notwendigkeit des Selbst-Entwurfs. Durch das ‚Schöpfen‘ und ‚Vernichten‘ hebt er dessen Vorläufigkeit und Dynamik hervor. Das Ich erscheint nun als formbar, veränderlich und vielgestaltig. Es gilt:
„sich willkürlich bald in diese bald in jene Sphäre, wie in eine andre Welt, nicht bloß mit dem Verstande und der Einbildung, sondern mit ganzer Seele versetzen; bald auf diesen bald auf jenen Teil seines Wesens Verzicht zu tun, und sich auf einen andern ganz beschränken; jetzt in diesem, jetzt in jenem Individuum sein Eins und Alles suchen und finden, und alle übrigen absichtlich vergessen: das kann nur ein Geist, der gleichsam eine Mehrheit von Geistern, und ein ganzes System von Personen in sich enthält […].“ [20]
Das romantisch-ironische Subjekt distanziert bis dahin selbstverständliche Bindungen, löst sich von einer unverbrüchlichen Identität mit sich selbst und einem vorgegebenen Ort in der Gesellschaft: Es macht sich selbständig, wird einzigartig und reflexiv. Die geschilderte Pluralität des Ich betont die stete Anwesenheit von Alternativen und damit den eigenen Gestaltungsspielraum, den Raum für Widersprüche, Zweifel und Neuanfänge. Friedrich Schlegel spricht deshalb von einer „ununterbrochene[n] Kette innerer Revolutionen“. [21] Auch die Suche nach der eigenen Bestimmung und die Selbstgestaltung werden zu einem unabschließbaren Prozess. [22]
Die neuen Freiheiten ergeben sich aus schwindenden Gewissheiten: Nicht nur das ontologisch ‚Unbedingte‘, auch die Tiefenschichten des eigenen Ich sind nur begrenzt zugänglich. Gesellschaftliche Ordnungsfaktoren verlieren an Gültigkeit und Integrationskraft für die Individuen. Deren ironische Haltung signalisiert ein Wissen um die Kontingenz der Selbstkonstruktion. Die von Friedrich Schlegel beschworene „ewige Agilität“ [23] hat deshalb durchaus ihre Ambivalenz: Je weniger allgemeine, vertikal-metaphysische und horizontal-gesellschaftsbezogene Verbindlichkeiten wirken, desto mehr ist das Ich auf sich selbst zurückgeworfen. Ein schwaches Fundament muss die Persönlichkeit, an der Schlegel als Idee festhält, fortan tragen. In „Über die Unverständlichkeit“ denkt Schlegel über die Abgründe der Ironie nach: Sie kann in ihrer potenzierten Form zu einem Zwang werden, das Subjekt kann den Halt verlieren. [24] Die Gefahr der ewigen Reflexion, der Selbstentfremdung und des Selbstverlustes werden bereits innerhalb der Romantik durchdacht. Romantische Wahnsinnsdarstellungen – insbesondere bei Tieck und Hoffmann – können das bestätigen. [25]
Schon die Schriften Friedrich Schlegels, aber auch seine Biographie zeigen, wie schwer es ist, die Ironie langfristig zu einer Denk- und Lebensbasis zu machen. 1808 konvertiert er gemeinsam mit seiner Frau Dorothea zum Katholizismus. [26] Dem Reiz des emanzipierten, ungebunden-ironischen Subjekts steht immer stärker die Sehnsucht nach einer dieses Subjekt stabilisierende Ordnungsmacht gegenüber, die letztlich die Gestalt des institutionellen Katholizismus annimmt. Die Frage, ob und wie die verschiedenen Werk- und Lebensphasen Schlegels zusammenhängen, wird in der Forschung bezeichnenderweise unter dem Stichwort des Ironieverzichts diskutiert. [27]
Positionen der Ironie-Kritik
Die Ähnlichkeit der sokratischen und der romantischen Ironie bestehe darin, so formuliert es Bärbel Frischmann, dass diese Ironie sich auf alle Lebensvollzüge richte. Allerdings werde das ironische Bewusstsein erst in der Folge der Philosophie Kant und Fichtes selbstreflexiv und zu einem universal einsetzbaren methodischen Instrument. [28] Als Referenzpunkt gilt in der Forschung, wie unter Zeitgenossen, Friedrich Schlegel, auch wenn differenzierende Seitenblicke auf Schleiermacher, August Wilhelm Schlegel und Tieck, auf Solger und Jean Paul notwendig wären. Friedrich Schlegel ist der zentrale Bezugspunkt – auch für eine Ironie-Kritik, die zur Konzeptualisierung dessen, was als ‚romantische Ironie‘ in der Geschichte wirkt, wesentlich beigetragen hat. Denn Kritiker wie Hegel oder Carl Schmitt spitzen zu, heben Aspekte hervor, vernachlässigen andere und sind von philosophischen Eigeninteressen bestimmt. Neutral gesprochen: Ironie-Kritiker führen modellierend eine Menge von Annahmen über ihr Objekt zusammen, indem sie sich auf als wesentlich angenommene Strukturen oder Mechanismen konzentrieren – zugleich aber auch Einfluss auf den Sachverhalt nehmen. [29] Der Informatiker und Modelltheoretiker Bernd Mahr hat davon gesprochen, dass Modellbildungsprozesse immer in einer Relation zu ihrem Ausgangssystem stehen, aber in entscheidender Weise auch in Relation zu einer Wirkungsabsicht. [30] Was also wird selektiv aus der ironischen Romantik übernommen und was daraus von ihren Interpreten gemacht?
Positionen der Ironie-Kritik treiben bestimmte Eigenschaften der Ironie hervor: etwa einen Wahrheits- und Werterelativismus, einen Realitätsverlust, die Gefährdung oder Auflösung des Subjekts, dessen Unfähigkeit zur Vergesellschaftung. Um mit Hegel zu beginnen: Seine zentralen Aussagen über die romantische Ironie finden sich in den Grundlinien der Philosophie des Rechts, in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie und vor allem in seinen Vorlesungen über die Ästhetik. [31] Deren Herausgeber Walter Jaeschke hat hervorgehoben, dass Hegel die Geschichte von ihren Anfängen in der nachklassischen Epoche Griechenlands bis in seine eigene Zeit als Geschichte der Ausbildung und Vertiefung der Subjektivität erzählt:
„Sie ist die Geschichte der fortschreitenden Herauslösung der Subjektivität aus den substantiellen Bindungen der Sippe oder des Volkes, aus der Unterwerfung unter die Orakel; sie ist die Geschichte der Ausbildung der Personalität: des Gedankens der Person als einer Verantwortungs- und Entscheidungsinstanz, ihrer Freiheit, letztlich ihrer Autonomie, ihres ‚höchsten Rechts‘ und des Bewusstseins ihres unendlichen Werts. Eben damit ist sie aber auch die Geschichte der Lösung der Subjektivität aus allen vorgegebenen Bindungen und zugleich die Geschichte der Abwertung alles Äußeren, der Erhebung über alles der Subjektivität Entgegenstehende, sei es nur die äußere, natürliche Welt […], sei es die im traditionellen Sinne ‚moralische‘ Welt vorgegebener rechtlicher Verpflichtungen und sittlicher Bindungen.“ [32]
Für Hegel bezeugt die Geschichte einen „Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“ und in Übereinstimmung mit den Romantikern begrüßt er eine zunehmende Selbstbestimmung der Subjekte grundsätzlich. Allerdings gilt Hegel deren Zentralstellung als höchst bedenklich – so wie er sie in der Philosophie Fichtes verkörpert sieht, einer Philosophie, die das Ich zum absoluten Prinzip „alles Wissens, aller Vernunft und Erkenntnis“ erklärt und damit vormals normative Gehalte abwertet. [33]
„Wenn nun bei diesen ganz leeren Formen, welche aus der Absolutheit des abstrakten Ich ihren Ursprung nehmen, stehengeblieben wird, so ist nichts an und für sich und in sich selbst wertvoll betrachtet, sondern nur als durch die Subjektivität des Ich hervorgebracht. Dann aber kann auch das Ich Herr und Meister über alles bleiben, und in keiner Sphäre der Sittlichkeit, Rechtlichkeit, des Menschlichen und Göttlichen, Profanen und Heiligen gibt es etwas, das nicht durch Ich erst zu setzen und deshalb von Ich ebenso sehr könnte zunichte gemacht werden.“ [34]
Aus der Philosophie Fichtes leitet sich für Hegel der romantische Subjektivismus ab, dessen Probleme er wie folgt fasst: Kein Bewusstseinsinhalt hat einen übergeordneten Geltungsanspruch, keine Wahrheit ist mehr verbindlich, denn sie alle sind abhängig vom Ich, das sie erst hervorbringt. Für Hegel ergeben sich hieraus Folgen für die normativen Gehalte der Gesellschaft, deren notwendige Verbindlichkeit unwiderruflich bröckelt, und ebenso große Schwierigkeiten ergeben sich für das übermäßig aufgewertete Subjekt. Eine eigentliche Individualität kann es nicht ausbilden, denn eine solche würde sich in einem Akt freier Anerkennung der Vernunft (der sittlichen Mächte oder des Staates) anschließen. Ein ideales Individuum vermittelt für Hegel das Einzelne mit dem Allgemeinen, indem es in sich selbst die allgemeine Vernunft erkennt und damit ihr Recht neben das der Subjektivität setzt. [35] Gerade dies aber verweigert ein ironisches Subjekt, das keinen Ernst zulässt:
„Denn wahrhafter Ernst kommt nur durch ein substantielles Interesse, eine in sich selbst gehaltvolle Sache, Wahrheit, Sittlichkeit usf. herein, durch einen Inhalt, der mir als solcher schon als wesentlich gilt, so daß ich mir für mich selber nur wesentlich werde, insofern ich in solchen Gehalt mich versenkt habe und ihm in meinem ganzen Wissen und Handeln gemäß geworden bin. Auf dem Standpunkte, auf welchem das alles aus sich setzende und auflösende Ich des Künstlers ist, dem kein Inhalt das Bewußtsein als absolut und an und für sich, sondern als selbstgemachter zernichtbarer Schein erscheint, kann solcher Ernst keine Stätte finden, da nur dem Formalismus des Ich Gültigkeit zugeschrieben ist.“ [36]
Hegel löst die romantische Ironie aus dem Zusammenhang ihres Strebens nach einem höchsten Prinzip. Aus einer erkenntnistheoretisch motivierten Selbstermächtigung wird die Selbstherrlichkeit eines Ich, das allzu leichtfertig alles aus sich heraus und nach Belieben setzt und wieder aufhebt. Kein Sachverhalt, keine Wahrheit und keine sittliche Norm gelten diesem Ich als „in sich selbst gehaltvolle Sache“. Hegel schärft den Fokus für die fatalen Folgen eines konsequenten Subjektivismus für die Gültigkeit eines Allgemeinen, etwa die Verbindlichkeit sozialer Normen: Denn wie soll eine Gesellschaft von Individuen zusammenhalten, die keine unverhandelbaren Übereinkünfte mehr kennen? Wie soll ein moralisch-sittliches Handeln ohne „objektive Vernünftigkeit“ gewährleistet werden? Und er hebt die Folgen für das sich selbst ermächtigende Subjekt hervor: Wie sollen die partikularisierten, genialisch-freien, sich selbst hervorbringenden Individuen zur Ruhe kommen und zu sich selber finden, wenn sie sich keiner Allgemeinheit mehr anschließen können? Sein Herausgeber sekundiert Hegel:
„Das Ich, das triumphierend über den Trümmern der Welt schwebt, wird seines Triumphs nicht mehr froh. Die fratzenhafte Verzerrung, in die das von allen Bindungen befreite und nur noch auf sich selbst fixierte Subjekt die äußere Wirklichkeit hineintreibt, holt sie schließlich selber ein – in der sogenannten ‚Schwarzen Romantik‘, die ja erstmals die Probleme des aufs äußerste zugespitzten, sich fragwürdig werdenden, ja sich gespenstisch verdoppelnden und an seiner Subjektivität leidenden Subjekts thematisiert.“ [37]
Ganz so frei und bildungslos, wie zunächst behauptet, scheint das ironische Subjekt für Hegel allerdings doch nicht zu sein. Denn er muss dessen immer wieder aufkeimendes Verlangen feststellen, sich objektiven Größen anzuschließen. Auch ein romantisches Subjekt kann sich im reinen „Selbstgenuß nicht befriedigt finden, sondern muß sich selber mangelhaft werden, so daß es nun den Durst nach Festem und Substantiellem, nach bestimmten und wesentlichen Interessen empfindet.“ Mit diesem Mangelempfinden erklärt Hegel in seinen Vorlesungen über die Ästhetik die „krankhafte Schönseelischkeit und Sehnsüchtigkeit“ des romantischen Subjekts. [38] In seinen Vorlesungen über die Philosophie des Rechts weist er darauf hin, dass der romantische Mangel und die fragile Subjektivität nicht nur zur Selbstzerrüttung und anderen Katastrophen führen können, sondern auch zum Katholizismus, zur Rückkehr und Unterwerfung unter eine haltgebende Institution. [39]
Sören Kierkegaard wird in seiner Dissertationsschrift Über den Begriff der Ironie mit ständiger Rücksicht auf Sokrates (1841) der Argumentationslinie Hegels grundsätzlich folgen. Für die romantische Ironie gibt es auch aus seiner Sicht nichts Feststehendes, sie allein, die Kierkegaard als „unendliche Negativität“ bestimmt, nimmt sich das Recht, zu binden und zu lösen. [40] Wie Hegel sieht auch Kierkegaard eine Gefahr darin, dass sich der Ironiker in seiner kontingenten Setzungsmacht solipsistisch verliert. Stärker als Hegel betont Kierkegaard aber den Freiheitsgewinn der aufgewerteten Subjekte und erkennt in der romantischen Ironie das Streben nach einem verborgenen Sinn. Doch da der permanente Umbruch und die unendliche Agilität ins Fatale umschlagen können, das Subjekt in einen ständigen Zustand der Schwebe gerät, muss das Stadium der Ironie für Kierkegaard bewusst begrenzt, muss es zu einer „beherrschten Ironie“ werden und einer höheren Existenzform weichen. [41]
Während der Hegel-Herausgeber Walter Jaeschke dem Philosophen einen scharfen Blick auf die Abgründe romantischer Subjektivität attestierte, zog ein literaturwissenschaftlicher Kollege ganz andere Schlüsse: Karl Heinz Bohrer hat in seiner berühmten Schrift Die Kritik der Romantik die Ironie zentral behandelt und Anfang der 1990er Jahre in einem Aufsatz „Sprachen der Ironie – Sprachen des Ernstes“ einander entgegengestellt. Die Ironie-Kritik Hegels wird bei ihm zu einem Scheidepunkt: Hier treffen Schlegels Vorstellungen einer ambivalenten, relativierenden Rede, die auf ein Nicht-Anwesendes zielt und einen Dissens zwischen der wahrgenommenen Welt und einem verschlossen bleibenden Sinn artikuliert, [42] auf die Konsolidierung einer einzigen Wahrheit, die Hegel in der Vernunft (und Kierkegaard in der Religion) verkörpert sieht. Bohrer spricht davon, dass die Ironie in der Tradition Hegels fortan vom Ernst überwältigt wird. [43] Heute würde man wohl eher von einem anhaltenden Ringen sprechen: Die Folgen der modernen Subjektivierung werden mit Hilfe der Debatten um die Ironie ausgelotet, ausgekostet oder abgewehrt. Offen bleibt dabei die Frage, ob und wie der ironische Verzicht auf eine Letztbegründung ohne Absturz in den absoluten Relativismus oder die Wende zum fundamentalen Ernst möglich ist.
In einer nächsten Runde des Ringens wird Heinrich Heine, der zu Restaurationszeiten nach Frankreich emigrierte Schriftsteller, von den Schülern Hegels in die Zange genommen. Hier setzen sich die Auseinandersetzungen Hegels und Schlegels fort. Die vehemente Kritik an Heines romantischer Ironie äußert sich in der Programmerklärung „Der Protestantismus und die Romantik. Zur Verständigung über die Zeit und ihre Gegensätze“ 1839/40 in den Halleschen Jahrbüchern, findet aber auch in die Schriften von Arnold Ruge, Robert E. Prutz und Friedrich Theodor Vischer Eingang. Für letzteren ist erst die Ironie Heines
„dasjenige, was Hegel unter dem Namen der Ironie so bitter verfolgte; sie erst ist so ausgesogen, daß es ihr mit keinem Inhalt und keiner Form Ernst ist, sie erst dichtet, wie man jetzt tanzt, mit dem Ausdruck: ich könnte es ebensogut lassen; sie erst opfert jeden Zusammenhang einem Witz und hat auch an dem Witz keine Freude, sie erst ist der ungeheure Widerspruch, im Genuß nicht zu genießen, im Schmerz nicht zu trauern, nichts zu sein und doch, statt sich zu erschießen, in dieser Nichtigkeit sich eitel zu weiden. Zu dieser Fäulniß ist die Romantik in Heine gelangt, er ist der Verwesungsprozeß der Romantik. Voll Genialität hat er alle ihre Schönheiten, löst sie in Zerrissenheit auf und endigt in Blasiertheit.“ [44]
Auch bei Vischer verbinden sich subjektphilosophische mit ästhetischen und moralisch-politischen Argumenten gegen die romantische Ironie. Im Zentrum der Kritik steht auch hier ein auf Fichte zurückgeführter absoluter Subjektivismus, der mit einem Verlust an äußerer Wirklichkeit einhergeht. [45] Ästhetisch heißt dies, dass nicht mehr eine Einheit von Ich und Welt zur Darstellung kommt, sondern sich ein dichterisches Ich artikuliert, das frei über seinem Gegenstand schwebt, das mit dem Inhalt und der Form seiner Schöpfung nur spielt. [46] Die Distanz zum Gegenstand zeigt sich im Gestus „ich könnte es ebensogut lassen“, der für Vischer kein Ausdruck von Freiheit und Souveränität, kein Hinweis auf das nicht Fixierbare ist, sondern ein Zeichen ästhetischer Willkür und permanenter Selbstspaltung. Das Subjekt befindet sich in einem Zustand der „Zerrissenheit“ und ist damit nur einen Schritt von dem Bewusstsein entfernt, „nichts zu sein“. Denn wenn es selbst im Schmerz nicht trauert und im Genuß nicht genießt, also nie mit sich identisch ist, dafür aber zu immer neuen Selbstrelativierungen bereit, kommt ihm jedes Fundament abhanden, und es wird von der absoluten „Nichtigkeit“, dem Nihilismus bedroht. Nicht nur bei Vischer erscheint Heines Ironie als eine Steigerungsform der romantischen Ironie, da selbst die letzte Sehnsucht nach Substanz hier gebrochen wird, indem auch die Verzweiflung und die Zerrissenheit nur Teil des ewigen Spiels sind. [47] Dass aus diesem Spiel eine moralische und politische Unzuverlässigkeit folgt, liegt auf der Hand. Aus Sicht der Junghegelianer verhindert die permanente Relativierung eigener Setzungen eine klare Positionierung, einen eindeutigen Fortschrittsglauben und damit jede aktive Veränderung der außerliterarischen Welt.
Die Kritik an der Romantik als übersteigertem Subjektivismus und einem daraus folgenden Weltverlust wird in den Realismus-Debatten der Zeitschrift Die Grenzboten fortgeführt und als tendenziell pathologisch ausgewiesen. Claudia Monti hat hervorgehoben, dass mit dem Aufkommen des programmatischen Realismus – beispielsweise von Julian Schmidt – ein wahres Gefühl, das sich der Realität verpflichtet sieht, vehement von einem sich selbst entfremdeten und hyperreflexiven Geist abgegrenzt wird, der latent als krank verstanden wird. [48] Differenziertere Positionierungen zur Ironie etwa in der Literaturgeschichtsschreibung der Jungdeutschen, [49] bei Hermann Hettner [50] und Rudolf Haym sowie in ihrem Gefolge in der Neoromantik um 1900 können an dieser Stelle, an der es um die Modellierung von Ironie-Kritik geht, nicht näher betrachtet werden.
An die Kritik Hegels, die der Junghegelianer und Realisten wird sich später Georg Lukács mit seiner Annahme von der Auflösung der Wirklichkeit durch die Romantiker anschließen – mit weitreichender Wirkung für die Romantik-Rezeption in der DDR. [51] In seinen wirkungsmächtigen literarhistorischen und theoretischen Schriften beklagt Lukács die Dominanz eines weltabgewandten Idealismus, auf dessen Basis die frühromantische Ästhetik mit ihrer „bewußten Überspannung“ der Subjektivität und ihrem ethischen Solipsismus einen Irrationalismus begünstigte, der die Entstehung eines revolutionären Realismus und damit die gesellschaftliche Umgestaltung im Sinne des Marxismus verhindert habe. Letztlich ermöglichte sie – so Lukács – damit den Faschismus. [52]
Auf der politisch anderen Seite steht im 20. Jahrhundert Carl Schmitt mit einer Position, die abschließend benannt werden muss, wenn es um einflussreiche Ironie-Kritiken geht. In seiner Schrift Politische Romantik (1919) skizziert Schmitt wie kein anderer zuvor ex negativo den Zusammenhang von Ironie und liberaler Gesellschaft. Dem Staatsrechtler und späteren Unterstützer des NS-Regimes dient die Kritik an der romantischen Subjektivität der Delegitimation der liberalen Demokratie, in die er diese Haltung zwangsläufig münden sieht. [53] Ausgangspunkt für Schmitts Argumentation ist die von ihm als „Säkularisierung“ beschriebene Tatsache, dass die Religion ihre Stellung als absolute Instanz verliert und Gott durch irdische und diesseitige Faktoren ersetzt werden kann. Unter Beibehaltung dieser Struktur treten immer neue Faktoren als absolute Instanzen auf. [54] In der Romantik nimmt – so Schmitt – das Subjekt die zentrale Stellung ein. Für das romantische Subjekt sind alle Geschehnisse der Welt nur ein Anlass (occasio), sich selbst zu empfinden und ästhetisch produktiv zu werden. Die Romantiker fühlen sich stark genug, „selbst die Rolle des Weltschöpfers zu spielen und die Realität aus sich selbst zu produzieren“: [55]
„Nur in einer individualistisch aufgelösten Gesellschaft konnte das ästhetisch produzierende Subjekt das geistige Zentrum in sich selbst verlegen, nur in einer bürgerlichen Welt, die das Individuum im Geistigen isoliert, es an sich selbst verweist und ihm die ganze Last aufbürdet, die sonst in einer sozialen Ordnung in verschiedenen Funktionen hierarchisch verteilt war. In dieser Gesellschaft ist es dem privaten Individuum überlassen, sein eigener Priester zu sein, aber nicht nur das, sondern, wegen der zentralen Bedeutung und Konsequenz des Religiösen, infolgedessen auch der eigene Dichter, der eigene Philosoph, der eigene König, der eigene Dombaumeister an der Kathedrale seiner Persönlichkeit.“ [56]
Die Konsequenzen dieser Haltung sieht Schmitt in den Zerrüttungen Baudelaires, Byrons und Nietzsches, die er „Schlachtopfer des Subjektivismus“ nennt. Das romantische Subjekt – hier ist Schmitt in der Nähe von Hegel – droht in sich zu zerfallen und sehnt sich in Konsequenz daraus nach der äußeren Welt und einer vorreflexiven Naivität, die im Volk oder in der Kindheit vermutet wird. Doch an die Stelle der Wirklichkeit ist unwiderruflich die „Möglichkeit als die höchste Kategorie“ getreten, sodass jede Realisierung einer Möglichkeit nur als Beschränkung wahrgenommen wird: „Jedes gesprochene Wort ist deshalb schon eine Unwahrheit, es beschränkt den schrankenlosen Gedanken, jede Definition ist ein totes, mechanisches Ding, es definiert das indefinite Leben“. [57] Die Ironie gilt Schmitt als das Mittel, sich keinesfalls auf etwas festzulegen, eine Wirklichkeit vor anderen anzuerkennen: „Ihrem Wesen nach ist die romantische Ironie das intellektuelle Mittel des vor der Objektivität sich reservierenden Subjekts“. [58] Deshalb sieht Schmitt das romantische Subjekt nicht nur als gefährdet, sondern vor allem als nicht politikfähig an: „Der Romantiker ist […] nicht in der Lage, aus bewußtem Entschluß Partei zu ergreifen und sich zu entscheiden“. [59] Auch Politik bleibt lediglich Anlass ästhetischer Produktion, ob „monarchische oder demokratische, konservative oder revolutionäre Gedanken romantisiert werden, ist für das Wesen des Romantischen gleich, sie bedeuten nur occasionelle Anknüpfungspunkte für die romantische Produktivität des schöpferischen Ich.“ [60] Romantisch-ironische Subjektivität wird damit zum Gegenpol einer staatlichen Ordnung, wie Schmitt sie sucht und später im Nationalsozialismus findet: Das Offenhalten von Möglichkeiten und das ewige Gespräch weichen einem gewaltvollen Dezisionismus, die innere wie äußere Pluralität einer geschlossen und homogenen Ordnung.
Ironische Problemkomplexe und ihre Persistenz
Die Auseinandersetzungen Friedrich Schlegels und Hegels mit der Ironie wirken also fort. Die Antwort auf die Frage, welche Merkmale in der nachfolgenden Tradition mit einer komplexen Form von Ironie verbunden werden, ist selbstverständlich bedingt durch die Auswahl der Positionen. Doch unabhängig von einzelnen Auswahlentscheidungen scheint die Persistenz bestimmter Problemkomplexe, die immer wieder an die romantische Ironie gebunden und weitergereicht werden: Zu diesen gehört (1.) die Frage nach der Erkennbarkeit eines letzten Grundes. Wird auf eine Letztbegründung verzichtet und tritt das permanente Streben nach Erkenntnis und partiellen Wahrheiten an die Stelle einer festen ontologischen Absicherung? Oder gilt die erkenntnistheoretische Einschränkung, der damit einhergehende Wahrheitsrelativismus als so problematisch, dass das Ziel in seiner Überwindung liegt? Wie lassen sich diese Positionen vermitteln? Aus diesem Komplex folgt (2.) die Reflexion über adäquate Sprech- und Darstellungsweisen: Gilt es, die Unverfügbarkeit des Wesentlichen zu signalisieren und die Rolle des wahrnehmenden Subjekts dadurch auszustellen, dass ein Kunstwerk das Wissen seines Schöpfers um seine perspektivische Einschränkung, seine Individualität und seine Idiosynkrasien selbstreflexiv in die Darstellung mit einbezieht? Ein solchermaßen ironisch über seinem Stoff schwebender Dichter gilt wahlweise als frei oder als in sich und seiner Subjektivität gefangen. Woran sich wiederum (3.) die Frage nach der Zugänglichkeit von ‚Wirklichkeit‘ und daraus folgend die nach dem Verständnis von Realismus und Mimesis anschließt. Kann die moderne Poesie nur eine durch das Subjekt gebrochene Welt zeigen oder hat sie Zugriff auf ‚die‘ Wirklichkeit, das wahre Gefühl und das ‚Wesen‘ des Menschen? Drängt das romantisch-ironische Subjekt sich vor die Welt und muss es aus dieser Position vertrieben werden? (4.) geht es um die Beschaffenheit des Subjekts: Wenn es im Wissen um die eigenen Möglichkeiten und die eigene Kontingenz ohne feste Identitätsbasis auskommt, kann dies als Freiheit, als Beweglichkeit und Gestaltungsmacht verstanden werden – oder als Gefährdung. Denn es drohen Destabilisierung, Desorientierung und Dekadenz. Wie aber können (5.) solche ironischen Subjekte eine Gesellschaft bilden? Braucht diese nicht einen normativen Kern? Wie lassen sich sonst politische Ziele bestimmen und Fortschritte durchsetzen? Die Verbindung von Ironie, Pluralität und Liberalität erfährt eine vollkommen gegensätzliche Wertung: Sie verbürgt Freiheit oder die Erosion des Staates.
Wenn man davon ausgeht, dass die Romantik sich in einem ihr eigenen Spannungsfeld von Subjektivierungsschüben und modernem Kontingenzbewusstsein auf der einen Seite, Totalitätsbedürfnissen und holistischen Sinnentwürfen auf der anderen Seite bewegt, liegt die romantische Ironie sicherlich nah am individualistischen Pol. Während Konzepte wie die Neue Mythologie oder eine romantische Naturphilosophie primär auf die Restitution eines Weltzusammenhangs zielen, verweist die romantische Ironie entschieden auf eine Subjektivierung, Relativierung und Fragmentierung von Selbst- und Welterkenntnis. Allerdings bleibt auch innerhalb des Ironie-Konzepts ein metaphysischer Rest, wenn Friedrich Schlegel vom Widerstreit des Bedingten und des Unbedingten spricht. Auch die romantische Ironie zielt auf ein – wenn auch schwer zu erkennendes – Absolutes. Ebenso bleibt die Einheit des Subjekts als Bezugsgröße erhalten, anders als dies später im Poststrukturalismus der Fall ist. [61] Selbst die außerordentliche Aufgipfelung der Subjektivität setzt also in der romantischen Ironie ein Allgemeines voraus. In der Rezeptionsgeschichte wird diese aporetische Struktur immer wieder angedeutet (bei Hegel etwa und bei Carl Schmitt). Dann aber wird sie zumeist polemisch aufgelöst: Entweder erscheint der relativierend-skeptische-fragmentierende Anteil der Ironie als vollständig dominant. Oder die Hoffnung auf Essentialisierung und Überwindung des Relativismus wird als fataler Rückfall in den Katholizismus oder in kindliche Naivität vorgeführt (ebenfalls Hegel und Carl Schmitt). Der Widerstreit zwischen dem Unendlichen und dem Endlichen, der Widerstreit von Skepsis und Wahrheitsannahme ist aber das Entscheidende und der eigentliche Punkt. Hier zeigt sich – so hat es Dirk von Petersdorff formuliert – die „romantische Grundbewegung, mit dem Nicht-Wissen umzugehen und die Frage nach letzter Zugehörigkeit trotzdem zu stellen“. [62] Im Hinblick auf das Fortleben der Ironie bleibt die Frage: Wer führt beide Aspekte als aporetisch aufeinander bezogen weiterhin klug zusammen? Denn tatsächlich zweigen hier vereinseitigende Wege ab: Einer geht in eine verfestigte, nicht mehr romantische Identität und einer in die Essentialisierung des Konstruktivismus und der Differenz. Der zweite Teil dieses Aufsatzes wird das zeigen. An dieser Stelle bleibt Christoph Rauen zuzustimmen, der davon gesprochen hat, dass bei Friedrich Schlegel ein Grundphänomen der Moderne begrifflich Gestalt annimmt. [63] Und dem Letzteren darin, dass mit „der Ironie durchaus nicht zu scherzen“ ist: „Sie kann unglaublich lange nachwirken.“ [64]
Der zweite Teil des Impulses lässt sich unter folgendem Link aufrufen: https://www.gestern-romantik-heute.uni-jena.de/wissenschaft/artikel/ironie-post-ironie-in-der-gegenwart-1
Anmerkungen
[1] Justus Fetscher/Philippe Despoix: [Art.] „Ironisch/Ironie“, in: Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden, hg. von Karlheinz Barck [u. a.], Stuttgart/Weimar 2010, S. 196–244.
[2] Peter L. Oesterreich: „Ironie“, in: Romantik-Handbuch, hg. von Helmut Schanze, Tübingen 2003, S. 352–367, hier S. 355.
[3] Uwe Japp: Theorie der Ironie, Frankfurt am Main 2013, S. 144.
[4] Johann Gottlieb Fichte: „Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, für Leser, die schon ein philosophisches System haben“, in: Philosophisches Journal, Bd. 5, S. 319–378 und Bd. 6, S. 1–40.
[5] Niklas Luhmann: „Die Tücke des Subjekts und die Frage nach dem Menschen“, in: Soziologische Aufklärung, Bd. 6, Wiesbaden 2005, S. 149–161, hier S. 150.
[6] Friedrich Wilhelm Joseph Schelling: „Fernere Darstellung aus dem System der Philosophie“, in: Historisch-kritische Friedrich Wilhelm Joseph Schelling Ausgabe, Bd. 12, hg. von Paul Ziche/Hans Michael Baumgartner [u. a.], Stuttgart 2019.
[7] Novalis: „Philosophische Studien der Jahre 1795/96. Fichte- Studien“, in: Novalis Schriften. Die Werke Friedrich von Hardenbergs, Bd. 2: Das philosophische Werk I, hg. von Richard Samuel [u. a.], Stuttgart 1965, S. 269f.
[8] Friedrich Schlegel: „Charakteristiken und Kritiken“, in: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, Bd. 2, hg. von Hans Eichner, Paderborn [u. a.], 1967, S. 160.
[9] Diese variiert nicht mehr nur Platons Einschätzung, Wesenserkenntnis sei genauso nötig wie unaussprechlich, sondern auch Kants transzendentalphilosophische Einsicht in die Nichterkennbarkeit des Absoluten. Vgl. Jure Zovko: „Sokratische Ironie als Anlass des Streits zwischen Hegel und Schlegel“, in: Ironie in Philosophie, Literatur und Recht, hg. von Bärbel Frischmann, Würzburg 2014, S. 69–80, hier S. 76.
[10] Friedrich Schlegel: „Charakteristiken und Kritiken“, in: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, Bd. 2, S. 182f.
[11] Vgl. Eckhard Schumacher: Die Ironie der Unverständlichkeit, Frankfurt am Main 2000.
[12] Jure Zovko: [Art.] „Ironie“, in: Friedrich-Schlegel-Handbuch, hg. von Johannes Endres, Stuttgart 2020, S. 310.
[13] Mit einem Rückgriff auf den Begriff Richard Rortys heißt es bei Zorn: „Bildende Philosophen ‚weigern sich, sich als jemand darzustellen, der objektive Wahrheiten entdeckt hat“. Daniel Pascal Zorn: Die Krise des Absoluten, Stuttgart 2022, S. 563.
[14] Bärbel Frischmann: „Ironie in der Philosophie und philosophische Ironie“, in: Ironie in Philosophie, Literatur und Recht, hg. von Bärbel Frischmann, Würzburg 2014, S. 9–35, hier S. 13–15. Auch Karl Heinz Bohrer sieht Friedrich Schlegel als „Urahn des Theorems“, das „den Gattungsunterschied zwischen Literatur und Philosophie aufheben will“. Karl Heinz Bohrer: „Sprachen der Ironie – Sprachen des Ernstes“, in: Merkur 8 (1993), S. 651–666, hier S. 654. Vgl. auch Manfred Frank: ‚Unendliche Annäherung‘: Die Anfänge der philosophischen Frühromantik, Frankfurt am Main 1997.
[15] Friedrich Schlegel: „Charakteristiken und Kritiken“, in: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, Bd. 2, S. 173, 53: „Es ist gleich tödlich für den Geist, ein System zu haben, und keins zu haben. Er wird sich also wohl entschließen müssen, beides zu verbinden.“
[16] Frischmann: Ironie in der Philosophie, S. 15.
[17] Friedrich Schlegel: „Charakteristiken und Kritiken“, in: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, Bd. 2, S. 154.
[18] Ebd., S. 172.
[19] Niklas Luhmann: „Individuum, Individualität, Individualismus“, in: Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, Bd. 3, hg. von Niklas Luhmann, Frankfurt am Main 1989, S. 149–258, hier S. 155–158.
[20] Friedrich Schlegel: „Charakteristiken und Kritiken“, in: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, Bd. 2, S. 185.
[21] Ebd., S. 255.
[22] Einen aktuellen Überblick zur romantischen Individualitätskonzeption, ihren Vorläufern und Nachwirkungen liefert Ulrich Breuer: „Eigensinn. Prolegomena zum poetischen Individualitätskonzept der Romantik“, in: Abschied vom Individuum? Romantische Konzeptionen von Individualität und ihre Kritik, hg. von Maria Verónica Galfione/Alexander Knopf, Paderborn 2023, S. 1–48, hier S. 18.
[23] Friedrich Schlegel: „Charakteristiken und Kritiken“, in: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, Bd. 2, S. 263.
[24] „Was wir aber hier zunächst unter Ironie der Ironie verstanden wissen wollen, das entsteht auf mehr als einem Wege. […] wenn man nicht wieder aus der Ironie herauskommen kann, wie es in diesem Versuch über die Unverständlichkeit zu sein scheint; wenn die Ironie Manier wird, und so den Dichter gleichsam wieder ironiert; […] wenn die Ironie wild wird, und sich gar nicht mehr regieren läßt.“ Friedrich Schlegel: „Über die Unverständlichkeit“, in: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, Bd. 2, S. 369.
[25] Vgl. Katrin Seebacher: Poetische Selbst-Verdammnis. Romantikkritik in der Romantik, Freiburg 2000. Barbara Neymeyr: „Aporien des Subjektivismus. Aspekte einer impliziten Romantikkritik bei Tieck und E.T.A. Hoffmann“, in: Germanisch-romantische Monatsschrift 55 (2005), S. 61–70.
[26] Ulrich Breuer/Maren Jäger: „Sozialgeschichtliche Faktoren der Konversion Friedrich und Dorothea Schlegels“, in: Figuren der Konversion. Friedrich Schlegels Übertritt zum Katholizismus im Kontext, hg. von Winfried Eckel/Nikolaus Wegmann, Paderborn [u. a.] 2014, S. 127–147. Bereits vor Schlegels Konversion heißt es 1804: „Man sollte jetzt in der Litter[atur] nicht auf Spiel und schöne Kunst sehen, sondern nur auf den Ernst; es ist eine Zeit des Krieges.“ In den 1810er und 20er Jahren richtet er sich regelmäßig gegen die eigene frühe Ironie-Konzeption. Friedrich Schlegel „Zur Philosophie“, in: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, Bd. XIX, S. 36.
[27] Vgl. Matthias Schöning: Ironieverzicht. Friedrich Schlegels theoretische Konzepte zwischen ‚Athenäum‘ und ‚Philosophie des Lebens‘, Paderborn [u. a.] 2002; Bärbel Frischmann: Vom transzendentalen zum frühromantischen Idealismus. J.G. Fichte und Fr. Schlegel, Paderborn [u. a.] 2005.
[28] Frischmann: Ironie in der Philosophie, S. 12.
[29] Vgl. Gereon Wolters: [Art.] „Modell“, in: Enzyklopädie für Philosophie und Wissenschaftstheorie, Bd. 5, hg. von Jürgen Mittelstraß, Stuttgart 1984, S. 911–913.
[30] Bernd Mahr: „Modelle und ihre Befragbarkeit – Grundlagen einer allgemeinen Modelltheorie“, in: Erwägen, Wissen, Ethik 26 (2015), S. 329–341, hier S. 331.
[31] Vgl. zu Hegels Verhältnis zur Romantik: Otto Pöggeler: Hegels Kritik der Romantik, München 1999.
[32] Walter Jaeschke: „Hegels Kritik an der Romantik“, in: Europäische Romantik, hg. von Helmut Hühn/Joachim Schiedermair, Berlin/Boston 2015, S. 157–170, hier S. 162.
[33] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: „Philosophie der Weltgeschichte. Einleitung 1831“, in: Gesammelte Werke, Bd. 18. hg. von Walter Jaeschke, Hamburg 1995, S. 153.
[34] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: „Vorlesungen über die Ästhetik II.“ in: Gesammelte Werke, Bd. 13, hg. von Hermann Glockner, Stuttgart 1964, S. 93f.
[35] „In dem gebildeten Zustande des Staats gehört Recht und Gerechtigkeit; ebenso Religion und Wissenschaft, oder die Sorge wenigstens für die Erziehung zur Religion und Wissenschaftlichkeit, der öffentlichen Macht an und wird von ihr geleitet und durchgesetzt. Die einzelnen Individuen erhalten dadurch im Staate die Stellung, daß sie sich dieser Ordnung und deren vorhandener Festigkeit anschließen und sich ihr unterordnen müssen, da sie nicht mehr mit ihrem Charakter und Gemüt die einzige Existenz der sittlichen Mächte sind, sondern im Gegenteil, wie es in wahrhaften Staaten der Fall ist, ihre gesamte Partikularität der Sinnesweise, subjektiven Meinung und Empfindung von dieser Gesetzlichkeit regeln zu lassen und mit ihr in Einklang zu bringen haben. Dies Anschließen an die objektive Vernünftigkeit des von der subjektiven Willkür unabhängigen Staates kann entweder eine bloße Unterwerfung sein, weil die Rechte, Gesetze und Institutionen als das Mächtige und Gültige die Gewalt des Zwanges haben, oder es kann aus der freien Anerkennung und Einsicht in die Vernünftigkeit des Vorhandenen hervorgehen, so daß das Subjekt in dem Objektiven sich selber wiederfindet.“ Georg Wilhelm Friedrich Hegel: „Vorlesungen über die Ästhetik II.“ in: Gesammelte Werke, Bd. 13, S. 239f.
[36] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: „Vorlesungen über die Ästhetik II.“ in: Gesammelte Werke, Bd. 13, S. 94f.
[37] Jaeschke: Hegels Kritik an der Romantik, S. 163.
[38] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: „Vorlesungen über die Ästhetik II.“ in: Gesammelte Werke, Bd. 13, S. 95f.
[39] „Ist so den Menschen alle objective Haltung entschwunden, so ist eine der Erscheinungen, daß der Mensch die unendliche Sehnsucht nach einem Objectiven hat, das ganz entschwunden ist. Diese Sehnsucht kann dahin bringen, sich zum Knechte zu machen, zum vollkommen Abhängigen, um nur die Quaal der Leerheit, der Negativität zu entrinnen. Dahin gehört die Erscheinung, daß Menschen katholisch wurden; indem sie nehmlich ihr Innres gehaltlos finden, wurden sie getrieben durch die Sehnsucht nach einem Festen, einem Halt, einer Autorität, wenn es auch die Festigkeit nicht ist des Gedankens“. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: „Vorlesungen über die Philosophie des Rechts“, in: Gesammelte Werke, Bd. 26, hg. von Klaus Grotsch, Hamburg 2015, S. 915.
[40] Sören Kierkegaard: „Über den Begriff der Ironie mit ständiger Rücksicht auf Sokrates“, in: Gesammelte Werke, 31. Abt., hg. von Emanuel Hirsch/Hayo Gerdes, München 31995, S. 266f. „In der Ironie ist das Subjekt negativ frei; denn die Wirklichkeit, welche ihm Inhalt geben soll, ist nicht vorhanden, das Subjekt ist frei von der Gebundenheit, in welcher die gegebene Wirklichkeit das Subjekt hält, aber es ist negativ frei und als solches in der Schwebe, weil nichts da ist, das es hielte.“ Vgl. Frischmann: Ironie in der Philosophie, S. 20f.
[41] Christine Abbt spricht von der bewussten Setzung einer Schranke bei Kierkegaard, um ethischen und politischen Gefahren durch die Ironie zu begegnen – bei gleichzeitigem Wissen darum, dass dieser Vorschlag inkonsistent ist. Christine Abbt: „Sokratische oder restaurative Ironie? Zur unterschiedlichen politischen Absicht ironischer Varianten“, in: Politische Literatur: Begriffe, Debatten, Aktualität, hg. von Christine Lubkoll/Manuel Illi/Anna Hampel, Stuttgart 2018, 401–419, hier S. 404.
[42] Bohrer: Sprachen der Ironie, S. 664.
[43] Ebd., S. 658. Die ironische Sprache (und ironisches Bewusstsein) verschwinde aus der deutschen Literatur und werde durch einen gegenläufigen Stil ersetzt. „Die ersten Männer waren,“ so Bohrer, „eben wieder auf jene ‚einzige Wahrheit‘ aus, die Hamann vierzig Jahre zuvor im Namen so vieler Wahrheiten ‚als Sand am Ufer des Meeres‘ verworfen hatte.
[44] Friedrich Theodor Vischer: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen, Bd. II, Leipzig 1847, S. 520.
[45] Vgl. Claudia Monti: „Anmerkungen zur Wissenschaftsgeschichte der Romantikkritik“, in: Germanistik und Komparatistik, hg. von Henrik Birus, Stuttgart 1995, S. 54–71, hier S. 60ff.
[46] In seinen Vorlesungen über die Philosophie der Kunst thematisiert Hegel auch die Folgen für eine Kunst, der das Gegenständliche abhandengekommen sei, so dass eine ironische Kunst auch nicht mehr Herrliches, Großes, Vortreffliches, etwas, was für den Menschen Wert und Würde hat, sondern dessen Brechung durch die absolute Subjektivität vorführe. Vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: „Vorlesungen über die Ästhetik II.“ in: Gesammelte Werke, Bd. 13, S. 97.
[47] Theoretisch lässt sich diese Behauptung nicht halten, da schon Schlegel in „Über die Unverständlichkeit“ eine „Ironie der Ironie“ fordert. Tatsächlich durchzieht Heines Werk aber eine gewisse Gelassenheit und Heiterkeit im Umgang mit der Ironie und ihren Folgen bis zum Ende in der Matratzengruft. Vgl. Sandra Kerschbaumer: Heines modernde Romantik, Paderborn 2000.
[48] Vgl. Monti: Anmerkungen zur Wissenschaftsgeschichte, S. 62f. Julian Schmidt: „Die Metamorphosen der Romantik“, in: Grenzboten 6/1 (1947), S. 460–474. Rekurriert damit auch auf Goethes berühmten Ausspruch von der Romantik als dem Kranken.
[49] Vgl. Monti: Anmerkungen zur Wissenschaftsgeschichte, S. 58f.
[50] Hermann Hettner: Die romantische Schule in ihrem inneren Zusammenhang mit Göthe und Schiller, Braunschweig 1850, S. 64. Rudolf Haym: Die romantische Schule. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Geistes, Berlin 1870, S. 259.
[51] In der Tradition von Lukács wird die Romantik als Epoche in der DDR bekanntlich zunächst konsequent als Erbe ausgeschlossen, bevor mit den 1970er Jahren eine Wiederentdeckung und Aufwertung beginnt. Vgl. Wolfgang Emmerich: Kleine Literaturgeschichte der DDR, Berlin 22005. Eine kommunistisch geprägte Romantikskepsis lässt sich auch nach der Wende bei Peter Hacks studieren. Seine lebenslang kritische Auseinandersetzung mündet in die 2001 veröffentlichen Schrift Zur Romantik – mit der zentralen These, innerhalb der DDR-Intelligenz habe die Aufwertung der Romantik zur Konterrevolution und damit zum Untergang der DDR geführt. Peter Hacks: Zur Romantik, Berlin 2008, S. 99f.
[52] Georg Lukács: „Fortschritt und Reaktion in der deutschen Literatur“ von 1947.
[53] Carl Schmitt: Politische Romantik, Berlin 61998 (zuerst 1919), S. 141.
[54] Ebd., S. 18f.
[55] Ebd., S. 75.
[56] Ebd., S. 21.
[57] Ebd., S. 77.
[58] Ebd., S. 82.
[59] Ebd., S. 126.
[60] Ebd., S. 167.
[61] Ulrich Breuer erklärt als charakteristisch für die romantische Individualität: Die Verbindung eines Festhaltens an einem vertikalen Totalitäts-, Transzendenz-, Wertbezugs mit der horizontalen Dimension einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft, die Individuen permanent freisetzt. Sie finden zusammen in sprachlichen Entwürfen, die das Unverfügbare anzeigen. Breuer: Eigensinn, S. 189.
[62] Dirk von Petersdorff: Romantik. Eine Einführung, Frankfurt am Main 2020, S. 33.
[63] Christoph Rauen: [Art.] „Ironie“, in: Handbuch Historische Authentizität, hg. von Martin Sabrow/Achim Saupe, Göttingen 2022, S. 243–248, hier S. 244.
[64] Friedrich Schlegel: „Über die Unverständlichkeit“, in: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, Bd. 2, S. 370.
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