Helmut Schanze , 22.05.2020

Schülerinnen und Schüler im Schloss Dürande

Joseph von Eichendorffs „Das Schloss Dürande“ (1836) – Fortschreibung der ‚Romantik‘?

Joseph von Eichendorffs Erzählung Das Schloss Dürande bietet bis heute Anlass zu produktiver Lektüre als ‚progressiver Universalpoesie‘. Die folgenden Überlegungen stellen den Text in Konstellationen und Kontexte der Zeit der ‚langen Romantik‘ des 19. Jahrhunderts und fragen nach der Aktualität romantischer Narrationen – auch für die heutige Schüler*innengeneration.

Romantische Erzählung

Im Herbst 1836 erschien beim Verleger F. A. Brockhaus in Leipzig Urania.Taschenbuch auf das Jahr 1837. [1] Als Nr. II enthält es: Schloss Dürande. Novelle von Joseph Freiherrn v. Eichendorff. Die Fragen sind: Kann diese „Novelle“ als Fortschreibung der ‚Romantik‘ als Romanlehre gelesen werden? Ist sie als ‚romantische Erzählung‘ damals wie heute noch aktuell? In welchen Kontexten und in welchen Konstellationen steht sie um 1836, nach üblicher Periodisierung, am ‚Ende der Romantik‘?

Mit dem Titel Das Schloss Dürande und dem Eingangsbild wird vordergründig eine populäre Ruinenromantik aufgerufen. Eichendorffs Erzählung beginnt in der Gegenwart des Erzählers, mit dem Anblick der „Trümmer des alten Schlosses Dürande“, gelegen in der „schönen Provence“, in einem einsamen „Tal zwischen waldigen Bergen“. Ihre Schauplätze sind das Schloss vor seiner Zerstörung, das „Tal“, ein „Kloster“ und das ferne Paris der Revolution nach 1789. Der Ort wird selbst zum Mythos, der, wie die umgebende Natur der „waldigen Berge“ und ihrer „Einsamkeit“ eine Geschichte erzählt. [2]

Die Erzählung spielt in den Zeiten vor der Hinrichtung des Königs und des Terreurs 1792–93. Die „Französische Revolution“ und die aktuelle Romantik der Ruine konstituieren eine komplexe erzählerische Chronotopie (im Sinne der Erzähltheorie Michail Bachtins). Am malerischen Ort, Ausgangspunkt der Erzählung, ist ein Zeitindex abzulesen; an ihm verbinden sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Renard, der Jäger des alten Grafen von Dürande, überrascht seine Schwester Gabriele bei einem Stelldichein im Wald, noch ohne zu wissen, dass es sich bei dem „Geliebten“ um den jungen Grafen handelt. Die Schwester verweigert eine Aussage über die Identität des „Geliebten“. Dem Bruder gegenüber fühlt sie sich frei wie „ein Gems‘ auf dem Stein“, sicher vor Verführung: „Kein Bursch holt die ein“. Der Bruder dagegen sieht, nach altem Recht, seine „junge Schwester“ als sein Mündel an, demgegenüber er eine Fürsorgepflicht hat, denn „Vater und Mutter waren lange gestorben“. [3]

Aus Sorge, dass sie verführt werde, bringt er sie als Postulantin in ein nahegelegenes Kloster, was auch ihrem Wunsch zu entsprechen scheint. Das zentrale Ereignis, die ‚Novelle‘, ist die heimliche Flucht der jungen Frau aus dem Kloster. Diese Flucht ist ein unerhörter Akt der Emanzipation im Wortsinn, für den der Bruder den jungen Grafen verantwortlich macht. Er unterstellt eine Entführung und, dass sie der junge Graf zur nicht standesgemäßen Maitresse machen wolle, wobei, so der alte Graf, „die Dürandes“ „immer splendid“ gewesen seien. Ihr alleiniges Motiv aber ist, wie sich erst am Schluss herausstellen wird, „wahre Liebe“ zu ihrem „Geliebten“, von dem sie „nicht lassen kann“.

Dem alten Gesetz der Präsenz des hohen Adels in Versailles folgend, hat der junge Graf in Paris seine eigene Hofhaltung. Gabriele dient ihm als „Gärtnerbursche“, unerkannt. Der Bruder versucht, in Paris und am Hof sein „Recht“ (im Erstdruck gesperrt) durchzusetzen. Er reist in die Hauptstadt, um die angenommene Entführung der Schwester aufzuklären, und um diese in die Heimat zurückzuholen. Er gerät in eine frühe Phase der Revolution, der Herrschaft der „Freunde des Volkes“, und an Rechtsanwälte, die ihn und sein Anliegen verhöhnen. Vom jungen Grafen wird er am Hofe zum „Wahnsinnigen“ erklärt.

In einem fulminanten Schluss findet die Liebesgeschichte ihre opernhaft-tragische Auflösung. Der Bruder tötet beide, die Schwester, unerkannt, und den „Geliebten“, in einer Verkleidungsszene. Die wahren Liebenden finden märchenhaft ihre Ruhe als „stilles Brautpaar“ in der „gräflichen Familiengruft“. Renald, ausgerufen „im Namen der Nation zum Herrn von Dürande“, setzt das Schloss in Flammen, um darin umzukommen. Der Schluss kehrt zum Eingangsbild zurück und führt eine aktuelle ‚Moral‘ als Ansprache an den Leser ein: „Das sind die Trümmer des alten Schlosses Dürande, die weinumrankt in schönen Frühlingstagen von den waldigen Bergen schauen. – Du aber hüte dich, das wilde Tier zu wecken in der Brust, dass es nicht plötzlich ausbricht und dich selbst zerreißt.“

Der Spannungsbogen und die Recherche des Bruders in Paris verweisen auf das Genre des Kriminalromans, wie es in den Causes célèbres et intéressantes des Pitaval im 18. Jahrhundert entwickelt und wie es im 19. Jahrhundert als Detektivroman eine breite Leserschaft findet. Als Erzählprosa handelt die Erzählung Eichendorffs historisch-bildlich von vergangenen revolutionären Ereignissen, die aber in seiner Gegenwart und in Zukunft (Juli-Revolution 1830, März-Revolution 1848) immer noch aktuell sind. Die opernartige Schlussszene erinnert an den Schluss der Verdi-Oper Rigoletto (1851). Deren Libretto beruht auf dem Theaterstück Le roi s‘amuse von Victor Hugo, dessen Aufführungen in Frankreich, ein Tag nach der Uraufführung 1832, verboten wurden. Hintergrund dafür sind die Ereignisse der Juli-Revolution 1830. Die ‚Novelle‘ endet tragisch, im Schlussbild als Märchen.

Mythos und Charaktere. ‚Umgestürzte Ordnung‘ und ‚Neue Mythologie‘

In einer Sozialgeschichte der Literatur wird über Eichendorffs Novelle in einem Band „Vormärz: Biedermeier, Junges Deutschland, Demokratie“ bzw. in einem Kapitel „Romantische Erzählprosa“ gehandelt. Dem Text wird eine Ausnahmestellung in Eichendorffs Werk zugeschrieben, die aber nur „scheinbar“ sei: „Nur scheinbar bildet die Erzählung „Das Schloss Dürande“ (1837) eine Ausnahme in der Eichendorffschen Erzählkunst, indem hier ein politisches Thema, die Französische Revolution direkt angegangen wird.“ Hingewiesen wird auf die revolutionskritische ‚Moral‘ am Schluss der Erzählung. Darüber hinaus wird eine Referenz gegeben auf Eichendorffs Zeitroman Ahnung und Gegenwart und die Figur der „Romana“. Die „Revolution“ aber erscheine „verkürzt“, als „Irrtum“; „wie im Kitschroman sind Graf und Geliebte im Tod vereint“. [4]

‚Die Moral der Geschicht‘ hat einen aktuell-prophetischen Gestus im Zeitkontext der Juli-Revolution und im ‚Vormärz‘. Die historische Konzentration auf den Zeitraum vor der Hinrichtung des Königs bzw. des ‚Terreurs‘, die Eichendorff in seiner Erzählung vornimmt, macht die Revolutionskritik Eichendorffs glaubhaft, öffnet sie aber auch für eine kritische Sicht auf Ursachen und Folgen der Revolution, der ‚Tendenz des Zeitalters‘.

In der Forschung wird darauf hingewiesen, dass das „Rechtgefühl“ des Bruders sich auf Kleists Michael Kohlhaas beziehe. [5] Die Beziehung zwischen Bruder und Schwester ist in der Forschung als latent inzestuös interpretiert worden, [6] in Fortschreibung der romantischen Psychologie. [7]

Diese Interpretationen setzen den Akzent auf den Charakter des „Renald“, des Bruders, und sein „Recht“ als Beschützer und Vormund seiner Schwester Die Schwester dagegen beansprucht ihre (radikal-revolutionäre) natürliche „Freiheit“ – wie „die Gems auf dem Stein“ und „der Vogel im Flug“. Hieraus ergibt sich der Grundkonflikt der Handlung. Der romantische Mythos der unbedingten, freien Liebe steht gegen die gesetzlich-kodifizierten Konventionen und das ständische Gefüge. Dahinter steht ein noch zur Zeit der Veröffentlichung diskutiertes, dem Juristen Eichendorff sicher bekanntes Rechtsproblem, die Frage der Volljährigkeit und der umfassenden, persönlichen Autonomie, damit auch des Endes der Vormundschaft. [8]

Die Figur des „Nicolo“, die am Schluss die Auflösung des Rätsels des Verschwindens der „Gabriele“ aus dem Schutzraum des „Klosters“ gibt, geht von einer zwanghaft-magischen Bindung der Hauptfigur an den Geliebten aus. „Das arme Kind […] sie konnte nicht vom Grafen lassen; um ihm immer nah zu sein, hat sie verkleidet als Gärtnerbursche sich verdungen im Palast, wo sie keiner kannte.“

Der Geschlechterwechsel (inszeniert als Kleidertausch) und die unbedingte Anhänglichkeit an den „Geliebten“ referiert literarisch auf die „Mignon“ in Goethes Meister und den „Erwin“, eine Figur in Eichendorffs Ahnung und Gegenwart, aber auch auf Shakespeare (Romanze Cymbeline) und Traditionen der Oper im 18. und 19. Jahrhundert (z. B. Fidelio, 1806, 1814).

„Gabriele“, der Name der Hauptfigur, ist die weibliche Namensform des Erzengels Gabriel – „Mann Gottes“, des Engels der Verkündigung. Ihr Rollenwechsel von ihrem im Text auch lyrisch verklärten Status als angehende Nonne zu der eines „Gärtnerburschen“ steht spiegelbildlich zur biblischen Szene der Begegnung des Auferstandenen mit Maria Magdalena, der Szene des „Noli me tangere“. [9] Mit ihrer emanzipierten „wahren Liebe“ zum jungen Grafen, dem sie in der Waldeinsamkeit begegnet war. Sie steht in der Reihe der unbedingt Liebenden des „Romans“ und seiner „magischen Begebenheiten“ (Novalis).

Aus der Sicht des Bruders Renald wird sie durch ihre Flucht zur „falschen Schwester“ (Titel des letzten Gedichts aus der Erzählung in Eichendorffs Gedichte[n]) im falschen Garten Eden zu Paris. Ihr klares, emanzipiertes Streben nach „wahrer Liebe“ bringt sie mit dem pflichtgemäß als Vormund um sie sorgenden Bruder in Konflikt. Sein Name verweist auf „Rinaldo“, den Kreuzritter aus Torquato Tassos La Gerusalemme liberata und Ariosts Orlando furioso. Eichendorff liest das Bild vom verzauberten Wald in Umkehrung als tragisches Bild für eine scheiternde Emanzipation. Er gibt der liebenden „Gabriele“ im Wortsinn eine eigene Stimme.

Ihr „Geliebter“, der junge Graf, trägt den Namen „Hippolyt“, die männliche Form der „Hippolyte“, der Amazonen-Königin des Theseus- und des Herakles-Mythos. Theseus raubt Hippolyte, was zum Krieg zwischen den Amazonen und den Griechen führt. Dem Göttersohn Herakles überlässt sie freiwillig ihren Gürtel, was wiederum Hera, die Schutzgöttin der Ehe, erzürnt. [10] Eichendorff transformiert über die Namensgebung nicht nur christliche-romantische, sondern auch ‚classische‘ Liebesgeschichten in seine ‚neue Mythologie‘ der Gegenwart.

Dass der alte Graf von Dürande mit dem Attribut des „altfränkischen“ versehen ist, mag man als ‚Schläfchen Homers‘ werten, aber auch als indirekte Referenz auf die Zerstörer seines Schlosses und seiner Welt, die revolutionären ‚Neufranken‘. Die Lage des Schlosses bei Marseille (der Name des Geschlechts verweist auf den Fluss Durance) wiederum spielt an auf das „Lied der Rheinarmee“ – das revolutionäre Schlachtlied der ‚Neufranken‘. Für die romantische Sprach- und Literaturwissenschaft ist die (römische) ‚Provence‘ das Land der mittelalterlichen Sänger, aber auch einer vom Norden unterdrückten Sprache, die ‚langue d’oc‘ und ihrer Dichtung, der Gegenstand der Forschungen und Vorlesungen August Wilhelm Schlegels in der neupreußischen Rheinprovinz nach 1815.

Romantik der „wahren Liebe“ – Musikalität

Folgt man Friedrich von Hardenberg (Novalis), so hat man es bei „Romanen“, „wo wahre Liebe vorkommt“ mit „Märchen, magische[n] Begebenheiten“ [11] zu tun – jene Notiz, für die Novalis 1798 das Stichwort „Romantik“ erfand. Die Novelle Eichendorffs nutzt Märchenmotive; die Liebesbegegnung erweist sich als „magische Begebenheit“ in der prosaischen Aktualität der Französische Revolution. In der Folge der Erzählung wird aus der „magischen Begebenheit“ der Liebesbegegnung eine „sich ereignete unerhörte Begebenheit“ (Goethes Definition der ‚Novelle‘ in den Eckermann-Gesprächen 29. [25.] Januar 1827).

Die Struktur des Textes ist entscheidend bestimmt von den ‚eingewebten‘ [12] lyrischen Texten, von Sprüchen, Liedern und Romanzen. Sie sind keineswegs nur beliebige „Requisiten“, wie der „obligate Vorrat von Mondschein, Waldhörnern, Nachtigallen, Mandolinen“ [13] einer populären Romantik. Sie erinnern an die utopische Synthese von Poesie und Prosa. Der Text ist eine Fortschreibung des romantischen Mythos von der unbedingten Liebe in ‚klar erzählender‘ Prosa, ‚enthusiastisch aufgeregter‘ Lyrik und einem dramatischen Aufbau. Ihr kulturhistorischer Kontext ist die lange Romantik des 19. Jahrhunderts, des ‚Bürgerlichen Realismus‘ und der unerfüllten revolutionären Forderungen. Sie erhebt die lyrische Musikalität zum Kanon der Romantik. Die Szenerie des Beginns, das Auftrittslied, die Gesänge der Nonnen, die Lieder und der opernartige Schluss verweisen auf ein ‚Théâtre-Lyrique‘, die große Oper, die ihre Epoche im 19. Jahrhundert in Paris feiert, mit dem Gegenmodell des Wagnerschen ‚Gesamtkunstwerks‘.

Die These der lyrisch-dramatischen Musikalität als fortwirkendes Inzitament der Romantik bezieht sich auf ein „kritisches Modell“ [14] in einer der Noten zur Literatur des Philosophen und Musiktheoretikers Theodor W. Adorno: Zum Gedächtnis Eichendorffs. [15]

Man könne, so Adorno, das „Ärgernis“ Heine umgehen, wenn man sich „auf den Prosaschriftsteller“ beschränke, dessen „Rang, inmitten des durchweg trostlosen Niveaus der Epoche zwischen Goethe und Nietzsche, in die Augen“ springe. [16] Im Fall Eichendorff bezieht sich das „Gedächtnis“ in seinen Belegen auf Eichendorffs Lyrik, und, in einer „Coda“, auf „Schumanns Lieder“, den „Liederkreis“ op. 39 „einer der großen lyrischen Zyklen der Musik“.

Mit dem Heine-Essay und dem Eichendorff-Gedächtnis stellt Adorno eine literatur- und musikhistorische Konstellation her: Während Heine als der „Prosaschriftsteller“ des 19. Jahrhunderts auf das „Leben“ und die „Wirklichkeit“ bezogen wird, erscheint Eichendorff bei Adorno paradigmatisch als Lyriker, der „von Novalis inspiriert“ sei. [17] Heines und Eichendorffs Lyrik wie Prosa werden in ihrer „Schutzlosigkeit“ begriffen, in beide sei der epochale „Bruch in der Kontinuität“ eingeschrieben. [18]

Der indirekte Fokus auf den Prosaschriftsteller und den Lyriker zielt einerseits auf eine „Korrektur“ des umfassenden Programms der „romantischen Poesie“ in der sogenannten „Spätromantik“. [19] Eichendorff, so Adorno, sei „kein Dichter der Heimat, sondern des Heimwehs, im Sinne des Novalis, dem er sich nahe wusste“. [20] Anderseits referiert er auf die lange Romantik der Musikgeschichte und der romantischen Liedkompositionen. Eichendorff zähle „auch nach der Periodisierung der Geistesgeschichte und auch dem eigenen Habitus nach, bereits in die Phase des Verfalls der deutschen Romantik“. [21] Die „geistesgeschichtlichen Reflexionen“ aber minderten keinesfalls den Rang von Eichendorffs Lyrik, sie bewiesen nur „das Läppische einer Betrachtungsweise nach dem Schema von Aufstieg, Höhe und Verfall“. Es bedürfe „der Erinnerung, um der Idee der Romantik ganz Genüge zu tun“ [22] – eine Erinnerung an die Idee eines ‚Absolu littéraire‘, welches „kein Gesetz über sich“ leidet und „alles“ umfasst, „was nur poetisch ist“. [23]

Das Programm der „romantischen Poesie“ postulierte die ‚Mischung‘ und ‚Verschmelzung‘ der Poesie und der Prosa. Diese wird bereits 1806 mit der Sammlung Alte deutsche LiederDes Knaben Wunderhorn von Achim von Arnim und Clemens Brentano, 1812 mit den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm buchtechnisch aufgelöst. Im Zusammenhang mit dem bayrischen Schulplan („Allgemeines Normativ“, 1808) konzipiert Goethe getrennt ein Lyrisches Volksbuch und ein großes Volksbuch mit Prosatexten. [24] Für den 7. Band der Cotta-Ausgabe seiner Werke (1806–10) löst Goethe bei der Sammlung seiner „Gedichte“ die Lieder der liebenden Mignon aus dem Kontext des Romans und schafft so die Vorlagen für Schuberts Goethe-Kompositionen um 1815.

Heinrich Heine sammelt seine frühen Gedichte 1827 in einem Band mit dem paradigmatischen Titel Buch der Lieder. Eichendorff nimmt in seinen Gedichte[n] 1837 die lyrischen Stücke aus seinem frühen Werk Ahnung und Gegenwart heraus. Die neuen Liederbücher werden zum Anlass großer, paradigmatisch ‚romantischer‘ Musik. 1842 erscheint in Wien und Leipzig der Liederkreis von Joseph Freyherrn von Eichendorf für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte von Robert Schumann. 39tes Werk. [25] Der Liederkreis ist eines der Epochenwerke der ‚Musikalischen Romantik‘. [26]

1832, 1835 und 1837–1845 erscheinen Felix Mendelssohns Melodies for Pianoforte, die Lieder ohne Worte. Sie markieren einerseits die spätromantische Dissoziation des Werks des Musikers vom Werk des Dichters, andererseits ratifizieren sie die frühromantische Theorie der „logisch-geistigen Musik“ als Sprache sui generis. 1838 entstehen die Kreisleriana von Robert Schumann. Sie bilden Lehrbeispiele für die Wechselbeziehung zwischen romantischer Literatur und Musik. [27] 1843 kommen Wagners Der fliegende Holländer, 1845 sein Tannhäuser als „romantische Opern“ auf die Bühne. Die ‚Novelle‘ Das Schloss Dürande revoziert die Entmischung von Prosa und Lyrik und hält, gegen die Tendenz der Novellistik, am romantischen Prinzip der poetischen Prosa fest. Ihre lyrischen Elemente bewähren gleichwohl ihre ursprüngliche Musikalität.

In seinem Opus 113 13 Canons für Frauenstimmen komponiert Johannes Brahms als Nr. 8 das spruchartige ‚Auftrittslied‘ der Gabriele aus Eichendorffs Das Schloss Dürande mit der Vortragsbezeichnung „risoluto“ – entschlossen:

https://www.youtube.com/watch?v=VCc9Xfw82fU (abgerufen am 22. Mai 2020)

Ein Gems auf dem Stein
Ein Vogel im Flug,
Ein Mädel das klug,
Kein Bursch holt die ein!

Die Publikation der Canons bei F. Peters in Leipzig erscheint 1891. Als Entstehungsjahre gibt Margit McCorkle die Jahre von 1859–1863 an. [28] Die fünftönige Folge des Kanon-Motivs zeigt eine thematische Verwandtschaft mit dem von Brahms 1853 komponierten „Scherzo“ der sog. FAE-Sonate. FAE – Frei aber einsam war das Lebensmotto des mit Brahms eng verbundenen Geigers Joseph Joachim. Die Tonfolge F-A-E bildet den thematischen Grundgedanken zur dreiteiligen Sonate. Sie wurde von Albert Dietrich (einem Schüler von Robert Schumann), Robert Schumann und Johannes Brahms komponiert und gemeinsam mit Clara Schumann (Klavier) in Düsseldorf am 28. Oktober 1853 erstmals aufgeführt. Der dritte Satz der Sonate, das „Scherzo“, weist eine schnelle 6/8-Bewegung auf. Sie vermittelt dem Hörer eine innere Unruhe, das Gefühl eines unbedingten Strebens nach Freiheit. Die fünftönige Folge in der Violinstimme, die mehrfach wiederholt wird, lässt sich in Metrik und Rhythmik auf den in der deutschen Dichtung relativ seltenen zweihebigen Vierzeiler mit umarmenden Reimschema beziehen, wie ihn Eichendorff die weibliche Hauptperson zu Beginn der Erzählung singen lässt, „mit fröhlicher Stimme, dass es dem Renald [ihrem Bruder] wie ein Messer durchs Herz ging“.

Wenn Eichendorff in Das Schloss Dürande im Sinne des ‚frühromantischen‘ Programms ausgewiesen lyrische Elemente in die Erzählung strukturgebend „einwebt“, [29] stellt er sich paradigmatisch gegen die auch von ihm selbst praktizierte Tendenz der Entmischung von ‚Poesie‘ und ‚Prosa‘. 1841 übernimmt Eichendorff auch seine Lyrik aus Das Schloss Dürande in die letzte Sammlung seiner Gedichte (1841). Der erste der Verse, das lyrische ‚Leitmotiv‘ der Erzählung, das Auftrittslied der Schwester, erhält den Titel „Übermut“. Nicht übernommen in die Sammlung wird das „alte Lied“, welches die unbedingt Liebende am Abend vor ihrem Eintritt ins Kloster singt. Es handelt sich um den letzten Vers des Liedes Die Judentochter aus der Sammlung Des Knaben Wunderhorn – bearbeitet von Achim von Arnim. Es ist das Lied einer Außenseiterin, einer „schönen Jüdin“, welche die Taufe vor einer christlichen Eheschließung verweigert: „Eh ich mich lasse taufen / Lieber will ich mich versaufen / Ins tiefe, tiefe Meer“. [30] Das zweite Lied, gesungen von den Nonnen im Kloster, erhält den Titel „Herbst“ („Es ist nun der Herbst gekommen …“). In der Sammlung der Gedichte steht es unter der Rubrik „Geistliche Gedichte“. Im Text denkt die Liebende aber während des Gesangs der Nonnen nur „an ihren Herrn“. Vor der letzten Strophe begegnet sie ihm; die Priorin nennt ihr seinen Namen. Das dritte Lied, gesungen von der Liebenden „draußen durch den Wind“ steht im Zentrum der Paris-Episode. Eichendorff gibt ihm den Titel „Der Bote“ („Am Himmelsgrund schießen …“). Das vierte Lied wird von der Liebenden „unten im Schloßgarten“ gesungen – der Geliebte hört es, erhält aber die falsche Auskunft, es sei nur der „neue Gärtnerbursch“ gewesen. Das letzte Lied, gesungen vom Bruder, „verwirrt“, leitet die Katastrophe ein. Es erhält in den Gedichten den Titel „Die falsche Schwester“ („Meine Schwester, die spielt‘ an der Linde …“). Der Bezug auf den Erzählzusammenhang wird – scheinbar – getilgt.

Der Text der Erzählung ist, im ersten Druck, in fünf Abschnitte gegliedert. Diese sind im Taschenbuch jeweils markiert durch einen Trennstrich. In jeden der Abschnitte, die auch als Akte der dramatischen Handlung gelten können, wird jeweils ein lyrisches Stück ‚eingewebt‘. Genauere Lektüre kann zeigen: Die lyrisch-musikalischen, poetischen Elemente bilden Strukturstellen im narrativen Text und in der dramatischen Handlung. Sie markieren psychologische Brüche im Innern der Figuren. Äußere und innere Form der Erzählung, das ‚dramatis argumentum‘ und die Gefühlssprache des lyrischen Subjekts bilden die von Friedrich Schlegel postulierte Gattungsmischung zur „romantischen Poesie“ aus, die vom Leser fortzudenken und fortzuschreiben ist.

Gibt es in der Antike die vielen Geschichten der Götter mit dem Menschen, so ist die „Neue Mythologie“ der Romantik das „künstlichste aller Kunstwerke“. [31] Im Kern jedoch geht es um „eine alte Geschichte“, die „immer neu“ bleibt, um eine tragische Liebesgeschichte der Romantik zwischen Heinrich Heines Buch der Lieder (1827) und Robert Schumanns Dichterliebe (1844).

Ob die Novelle als Textbuch für eine große Oper tauglich ist (vgl. die gleichnamige Oper von Otmar Schoeck, 1943), kann allerdings bezweifelt werden (https://en.wikipedia.org/wiki/Das_Schloß_Dürande_(opera), abgerufen am 22. Mai 2020).

Die romantische Praxis der Fortschreibung: Texte über Texte

In der Geschichte der Literatur, der Literaturkritik und des deutschen Unterrichts führt die programmatische Formulierung des Verfahrens der „Klassiker-Lektüre“ [32] und die daran anschließende literarische Produktion in eine literarische Theorie ein, die als Lehre von der poetischen Prosa nach 1800 schulbildend wird: die historische Theorie der ‚Romantik‘ als ‚Romanlehre‘.

Programm der ‚romantischen Schule‘ ist die Erhebung einer populären Erzählform, des ‚Romans‘, der populären ‚Liebesgeschichte‘, zur ‚Progressiven Universalpoesie‘. Der „Roman“ ist „Leben, als Buch“ (Novalis). Zielpunkt der Programmatik ist die Forderung nach einer ‚neuen Mythologie‘. Der prominente Kanontext der ‚Romantik‘ als Romanlehre ist Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre. Unter den frühen ‚Urteilen‘ über den neuen „Roman“ Goethes (des Autors der Leiden des jungen Werthers) finden sich „Fragmente“ des Programmatikers der „romantischen Poesie“ Friedrich Schlegel: „Wer Goethes ‚Meister‘ gehörig charakterisiere, der hätte damit wohl eigentlich gesagt, was jetzt [d. h. um 1800] an der Zeit ist in der Poesie“ [33] und: „Die Französische Revolution, Fichtes Wissenschaftslehre und Goethes ‚Meister‘ sind die größten Tendenzen des Zeitalters“ [34]. Friedrich Schlegels Essay Über Goethes Meister wiederum gilt selbst als Kanontext medienreflexiver Prosa. Er schreibt, als genauer Leser, den ‚Roman‘ in einem eigenen, modernen Genre der Prosa, dem Essay, mit eigenem Anspruch fort.

Im Essay Über Goethe’s Meister wird in stilistisch anspruchsvoller Form ein „Roman“ analytisch erörtert und interpretatorisch als klassischer Text exponiert. Im Programmfragment wird die „romantische Poesie“ als „Universalpoesie“ ausgewiesen. Ihre „Bestimmung“ sei, „alle getrennten Gattungen der Poesie“, Lyrik, Dramatik und Epik „wieder zu vereinigen“, „die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik“ in Berührung zu setzen“ und „Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie“ zu „mischen“ und zu „verschmelzen“, die „Poesie lebendig und gesellig und das Leben und die Gesellschaft poetisch“ zu machen – ein umfassendes Programm eines Kunstwerks des Lebens, ‚als Buch‘. Schlegel postuliert, dass die „Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide“ [35] – eine radikal-revolutionäre Autonomie-Ästhetik. Im Fragment 216 gibt Friedrich Schlegel dem „kleinen Buch“ in der „Kulturgeschichte“ den Vorrang vor dem „lauten Weltereignis“, der „Französischen Revolution“. Veröffentlicht werden Schlegels Fragmente und der Essay über Goethes „Roman“ in einer Zeitschrift. Sie führt im Titel die Bezeichnung einer auf akademische Ausbildung zielenden höheren Schule: Athenäum. [36]

Literaturhistorische Konstellationen: „Romantische Schule“, „Der Adel und die Revolution“

In welcher literaturhistorischen Konstellation erscheint die Novelle zur Leipziger Messe im Herbst 1836 in einem Taschenbuch auf das Jahr 1837?

1836 ist in Hamburg der zweite Teil von Heines Buch D’Allemagne. Über Deutschland, betitelt Die romantische Schule erschienen. Es handelt sich dabei um die deutsche Fassung seiner Artikel Ètat actuel de la littérature en Allemagne, die Heine bereits 1832–33 in der französischen Zeitschrift L’Europe littéraire veröffentlicht hatte.

Für den deutschen Leser wird aus dem Ètat actuel im Zeitschriftenformat eine historische Epochendarstellung der Literatur- und Kulturgeschichte im Buchformat. Heine beschreibt die schulbildende Funktion der ‚Romantiker‘ – analog zu den Schulen der Kunstgeschichte. Nimmt man „Romantik“ als „ästhetische Doktrin“ [37] als ‚Lehre vom Roman‘, so wird eine Gattungslehre der modernen Erzählprosa mit Anspruch auf eine ‚progressive Universalpoesie‘ nie in die Grenzen einer abgeschlossenen Epoche einzuschließen sein. Solange ‚Romane‘ geschrieben werden, sind die Verfahren der von Schlegel postulierten „Progressiven Universalpoesie“ aktuell. ‚Romantik‘ als Kunstlehre hat praxeologisch weder einen Anfang noch ein Ende. Sie ‚ist fortzusetzen‘. Ihre Fixierung auf einen Epochenbegriff im Schulzusammenhang grenzt sie kritisch ein. Wenn Heine das „Ende der Kunstperiode“ postuliert, diagnostiziert er zugleich einen Traditionsbruch.

Heine selbst versteht sich als „romantique défroqué“, als „entkutteter Romantiker“, dem romantischen Kloster entlaufen. Er singt in seinem Atta Troll das „letzte Waldlied der Romantik“. Er ist sich der Paradoxie eines Endes ohne Ende bewusst. Er polemisiert gegen die Enge der Schule und die Doktrin ihrer „gérants“, der Brüder Schlegel. [38] Er wendet sich gegen seinen eigenen Lehrer in Bonn, August Wilhelm Schlegel und dessen Botschaft an Europa. Er nimmt eine Eingrenzung, zugleich aber auch eine umfassende Erweiterung der Doktrin der Romantik über die „Litteratur“ hinaus vor, wie sie bereits um 1800 angelegt ist: „Was war aber die romantische Schule in Deutschland? Sie war nichts anders als die Wiedererweckung der Poesie des Mittelalters, wie sie sich in dessen Liedern, Bild- und Bauwerken, in Kunst und Leben, manifestirt hatte. Diese Poesie aber war aus dem Christenthume hervorgegangen, sie war eine Passionsblume, die dem Blut Christi entsprossen […].“ [39]

Bei der denkbar weitesten Entgrenzung der Gegenstandsbestimmung der ‚Romantik‘ fehlt in Heines Definition ihr zentrales Bestimmungsstück: der ‚Roman‘ als ‚Poesie in Prose‘, als ‚progressive Universalpoesie‘. Der ‚Roman‘, das ‚Leben, als Buch‘, bildet eine Leerstelle. Es gehe der „Romantischen Schule“ nicht (mehr) um eine Synthese von ‚Poesie‘ und ‚Prosa‘. Es gehe ihr allein um die ‚Poesie‘ einer vergangenen Zeit. Das Momentum der Progression als Fortschreibung sei der ‚Doktrin‘ der Schule geopfert worden. Heine erinnert mit der Leerstelle implizit an den utopischen Anspruch der ‚progressiven Universalpoesie‘, der nicht in einer „romantischen Schule in Deutschland“ aufgehe. An die Stelle der Fortschreibung trete, aus der Sicht Heines, eine „Wiedererweckung“, ein ‚retour‘ auf eine vergangene Epoche, die ein ‚renouveau‘ des „Christenthums“ sei. Das trifft in der Tat eine religionsgeschichtliche Tendenz im 19. Jahrhundert, die ihren programmatischen Ausgangspunkt in Frankreich hat, in Chateaubriands Schrift Le Génie du Christianisme, veröffentlicht 1802, geschrieben zwischen 1795 und 1799.

Wie lässt sich mit der Paradoxie einer Epoche, die weder Anfang noch Ende haben kann, angemessen umgehen? Welche Rolle kann ‚Romantik‘ heute noch spielen? Was ist vergangen, was ist gegenwärtig an ‚romantischer Poesie‘ und ihrer Progressivität? Reichen dazu Handbuchwissen und etwas Lektüre aus, oder bedarf es eingehender Überlegungen zum Umgang mit Texten, die scheinbar einfach sind, beim genaueren Lesen aber in Fragestellungen des Kontextes, des Kommentars und der Interpretation führen? Welchen Nutzen hat dabei ein elaboriertes philologisch-philosophisches Besteck, das die zuständige, romantisch begründete Wissenschaft von der ‚Germanistik‘ vermitteln sollte – abgesehen von den kulturwissenschaftlichen Erweiterungen auf Musikwissenschaft, Kunstwissenschaft, generell auf Lebenswissenschaft, die Heines Definition der „Romantik in Deutschland“ programmatisch einfordert?

Heines Postulat einer progressiven, modernen ‚Romantik‘ wird von Eichendorff literaturhistorisch-biographisch beantwortet: in seiner erst aus dem Nachlass veröffentlichten Schrift Der Adel und die Revolution. Sein Rückblick auf seine Jugend und seine Studentenzeit um 1806/9 hat nicht nur eine verklärende Tendenz, er beschreibt scharfsichtig die Epoche der Romantik als Umbruchszeit. Er führt schonungslos das Gerede von der „guten alten Zeit“ ad absurdum. [40] So darf man in der literaturhistorischen Konstellation von 1836/1837 die Erzählung Das Schloss Dürande als poetisch-prosaische Antwort auf Heines Kritik der Romantik lesen.

Literaturdidaktische und methodische Hinweise

Die Schlussfrage ist, ob und inwieweit die hier in Rede stehende Novelle, veröffentlicht vier Jahrzehnte nach Wilhelm Meisters Lehrjahren und dem Schulprogramm des Athenäums, als Paradigma einer ‚Progressiven Universalpoesie‘ gelesen, erörtert und interpretiert werden kann. Wie aktuell ist die „Romantische Schule“ heute – oder hat sie, als literarische Epoche, als „Kunstperiode“, nicht schon zum Entstehungszeitpunkt des Kanontextes ihr ‚Ende‘ gefunden? Wie aktuell sind das provozierende Auftrittslied der Schwester und die konservativ auftretende ‚Moral‘ am Schluss?

Die hier gegebenen Hinweise zur ‚Romantik‘, zum ‚19. Jahrhundert‘ und zu Das Schloss Dürande sollten nicht als Vorschriften gewertet werden, wie der Text heute als Kanontext zu lesen sei. Aber sie wollen doch Anregungen bieten, die vielleicht auch im schulischen Kontext nutzbar gemacht werden können. Denn der hier besprochene Text wird in Berlin und Brandenburg im Zuge der Abiturvorbereitung 2021 eine Rolle spielen. [41] In international gebräuchlicher Gattungsbezeichnung verfassen die Schüler*innen idealiter Essays zu einem Text, der immer wieder neu gelesen werden kann. „In ihrer kanonbildenden Funktion stellt Klassiker-Lektüre auf Wiederholung ab.“ [42] Die schriftliche Fixierung von Leseerfahrungen in Form einer Interpretation bzw. Erörterung führt in einen unabschließbaren Prozess. Die Hinweise sollten historische Konstellationen und Kontexte benennen, Recherchen anregen, die mit den vorhandenen Hilfsmitteln der universalen Bibliothek des Internets leistbar sind. Sie dienen der gegenwärtigen Fortschreibung des Textes in produktiver Lektüre. Die Fragen der Formulierung eines Précis, einer Synopsis bzw. einer Inhaltsangabe, die Beschreibung der Schauplätze, die Charakteristik der Personen und deren Beziehungen untereinander gehören zu den genuinen Aufgaben des Deutschunterrichts. Mit dem Hinweis auf die Französische Revolution ist fächerübergreifend der Geschichtsunterricht involviert. Mit den Fragen nach den Liedern, deren kompositorische Verarbeitung und den mythologischen Bildern ergeben sich Anknüpfungen an den Musik- und Kunstunterricht. Die ‚Mischpoesie‘ von Prosa und Poesie bei Eichendorff führt auf Fragen der Poetologie der modernen Gattungen des ‚Romans‘ und der ‚Novelle‘, deren Verarbeitung im ‚Musikdrama‘ des 19. Jahrhunderts und der Tendenz zum theatralisch-musikalischen ‚Gesamtkunstwerk‘.

 

Anmerkungen

[1] Urania. Taschenbuch auf das Jahr 1837 ist digital verfügbar bei Google Books: https://books.google.de/books?id=PWg7AAAAcAAJ&prin... , abgerufen am 15. Mai 2020. Das Taschenbuch bringt „Sechs Stahlstiche“, „Erklärungen“ dazu sowie vier Novellen von Leopold Schefer (Die Gräfin Ulfeld oder die vierundzwanzig Königskinder. 2 Bde. 1834, Roman über die Einkerkerung der Frau des dänischen ‚Verräters‘ Corfiz Ulfeldt, Musikalien im Goethe-Schiller-Archiv), Eichendorff, Emerentius Scaevola (d. i. Julius von der Heyden, Learosa, die Männerfeindin, 1835 und Adolar, der Weiberverächter, 1836, waren in Preußen verboten) und Ludwig Tieck (sic.).

[2] Ebd., S. 51 ff.

[3] Ebd., S. 54 f.

[4] Alexander von Bormann: Romantische Erzählprosa. In: Deutsche Literatur. Eine Sozialgeschichte. Hg. von Horst Albert Glaser. Bd. 6, Vormärz: Biedermeier, Junges Deutschland, Demokraten 1815–1848. Hg. von Bernd Witte, S. 112–133, hier S. 127.

[5] Hermann Korte: Eichendorffs Kleist. In: Text + Kritik. Zeitschrift für Literatur. Sonderband Heinrich von Kleist. Hg. von Heinz Ludwig Arnold. München 1993. S. 177–191. Vgl. auch Dieter Heimböckel: Eichendorff mit Kleist. Das Schloß Dürande als Dichtung umgestürzter Ordnung. In: Aurora. Jahrbuch der Eichendorff-Gesellschaft 65 (2005), S. 65–81.

[6] So Detlef Kremer: Prosa der Romantik. Stuttgart/Weimar 1996, S. 110.

[7] Vgl. dazu Ursula Mahlendorf: Die Psychologie der Romantik. In: Romantik-Handbuch. Hg. von Helmut Schanze, 2. Aufl. Stuttgart 2003, S. 592ff.

[8] 1791 legte Olympe de Gouges der französischen Nationalversammlung den Entwurf der „Déclaration des droits de la femme et de la citoyenne“ zur Verabschiedung vor. Er fordert die volle rechtliche, politische und soziale Gleichstellung der Frauen ein. Vgl. https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k426138, abgerufen am 10. Mai 2020). Zur Herabsetzung der Volljährigkeit in Frankreich durch das Gesetz vom 20. Sept. 1792, die Regelungen im Code Napoléon von 1804, Titel X, Kap. 2, De la tutelle, Von der Vormundschaft und die Diskussion im Großherzogtum Hessen 1846 vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Volljährigkeit, abgerufen am 10. Mai 2020. Zur Rechtshistorie: Mirjam Heider: Die Geschichte der Vormundschaft seit der Aufklärung, Baden-Baden 2011.

[9] Joh. 20, vgl. u. a. Christus als Gärtner sowie Noli me tangere von Philipp Veit, 1818, dem „Nazarener“, Sohn der Dorothea Schlegel, Enkel von Moses Mendelssohn im Städel-Museum, Graphische Sammlung.

[10] Vgl. Gustav Schwab: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Nach seinen Dichtern und Erzählern. Bd. 1, Stuttgart 1838.

[11] Novalis: Schriften, Die Werke Friedrich von Hardenbergs, Zweiter Band: Das philosophische Werk hg. von Paul Kluckhohn und Richard Samuel, Stuttgart 1960 ff., S. 255.

[12] Vgl. Heinrich Heine: Buch der Lieder, in: Historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke, hg. von Manfred Windfuhr im Auftrag der Stadt Düsseldorf, (DHA), Bd. 1, Hamburg 1975, S. 237.

[13] Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften (GS), hg. von R. Tiedemann, Bd. 11, S. 81.

[14] Zum Begriff „Modell“ vgl. Thodor W. Adorno: Eingriffe. Neun kritische Modelle, Frankfurt am Main 1971.

[15] Ursprünglich ein Vortrag zum hundertsten Todestag im Westdeutschen Rundfunk. November 1957, erschienen in den Akzenten 1958, 1. Heft, bzw. Noten zur Literatur (1), Frankfurt am Main 1958, in: Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften (GS), hg. von R. Tiedemann, Bd. 11, Frankfurt am Main 1974 u. ö., S. 69–94. Dem Eichendorff-Essay voraus gehen in den „Noten“ die ebenfalls für die Fragestellung aufschlussreichen Stücke Der Essay als Form, Über epische Naivetät, Standort des Erzählers im zeitgenössischen Roman und Rede über Lyrik und Gesellschaft. Dem Eichendorff-Essay folgt der Essay Die Wunde Heine.

[16] Adorno: GS 11, S. 95.

[17] Ebd., S. 81.

[18] Ebd., S. 69.

[19] Vgl. dazu Dirk von Petersdorff: Korrektur der Autonomie-Ästhetik. Appell an das ‚Leben‘. Zur Transformation frühromantischer Konzepte bei Joseph von Eichendorff. In: Heidelberger Jahrbücher 51 (2007), S. 53–65.

[20] Adorno: GS 11, S. 73.

[21] Ebd., S. 86.

[22] Ebd., S. 87.

[23] Athenäumsfragment 116, KFSA II, S. 182f.

[24] Vgl. H. S.: Literaturgeschichte und Lesebuch. Ansätze zu einer historisch orientierten Literaturdidaktik. Mit einem Anhang. Goethes Volksbuch von 1808, Düsseldorf 1981.

[25] Vgl. dazu Robert Schumann. Neue Ausgabe sämtlicher Werke. Literarische Vorlagen der ein- und mehrstimmigen Lieder, Gesänge und Deklamationen. Hg. von Helmut Schanze unter Mitarbeit von Krischan Schulte. Serie VIII: Supplemente Bd. 2, Mainz usw. 2002, S. 80ff.

[26] Vgl. Theodor W. Adorno: „Schumanns Lieder-Kreis nach Eichendorff-Gedichten op. 39“. In: Akzente. Zeitschrift für Dichtung. München 1958.

[27] Vgl. Susanne Hoy-Draheim, Robert Schumann und E. T. A. Hoffmann. In: Schumann und seine Dichter. Bericht über das 4. Internat. Schumann-Symposion in Düsseldorf 1991, hg. von M. Wendt, Mainz 1993, S. 61–70.

[28] Margit L. McCorkle: Johannes Brahms. Thematisch-Bibliographisches Werkverzeichnis. München 1984.

[29] Heine: DHA 8,1, S. 237.

[30] Des Knaben Wunderhorn, Alte deutsche Lieder, Studienausgabe hg. v. Heinz Rölleke, Teil I, Bd. 1, Stuttgart [u. a.] 1979, S. 237; Wunderhorn I, S. 252.

[31] Friedrich Schlegel: Rede über die Mythologie im Gespräch über die Poesie, in: KFSA II, S. 312.

[32] Vgl. hierzu Detlef Kremer: E. T. A. Hoffmann. Erzählungen und Romane. Klassiker-Lektüren Bd. 1, Berlin 1999, S. 9.

[33] Friedrich Schlegel: Charakteristiken und Kritiken I (1796–1801), hg. u. eingel. von Hans Eichner, München [u. a.] 1967 (= Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, KFSA Bd. 2), (Athenäumsfragment Nr. 120), S. 162.

[34] KFSA Bd. 2, S. 198.

[35] Athenäumsfragment Nr. 116 KFSA II, S. 182.

[36] Vgl. H. S.: Erfindung der Romantik. Stuttgart 2018, bs. S. 97f, 240ff.

[37] Heine: DHA 8.1, S. 137.

[38] Ebd..

[39] Ebd., S. 126.

[40] Vgl. H. S. (Hg.): Die andere Romantik. Eine Dokumentation. Sammlung Insel 29, Frankfurt am Main 1967.

[41] Vgl. dazu Land Brandenburg: Ministerium für Bildung, Jugend und Sport, Berlin, Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie: Hinweise zur Vorbereitung auf die Abiturprüfung 2021 im Land Berlin, Prüfungsschwerpunkt Deutsch 2021, Grundkurs.

[42] Vgl. ebd.

 

Der wissenschaftliche Impuls ist unter folgendem Link dauerhaft abrufbar: https://doi.org/10.22032/dbt.61611

Brandenburger Abiturientin 2020

„Urania. Taschenbuch auf das Jahr 1837“ (Cover)

Joseph von Eichendorff: „Schloss Dürande“, in: „Urania. Taschenbuch auf das Jahr 1837“.