Anne Bohnenkamp-Renken, Wolfgang Bunzel, Cornelia Ilbrig (Hgg.)

Schatzhäuser der Romantik

Ein Wegweiser zu Museen, Wohnhäusern und Gedenkstätten

Reclam 2021

Mit der Eröffnung des Deutschen Romantik-Museums in Frankfurt am Main am 14. September 2021, das aus der umfangreichen Sammlung des Freien Deutschen Hochstifts hervorgegangen ist und lange gehegte Pläne eines Zentrums für Romantik in unmittelbarer Nachbarschaft des Goethe-Hauses realisiert, erfährt die deutsche Romantik im europäischen Kontext gerade vermehrt Aufmerksamkeit über die engeren Grenzen der Wissenschaft hinaus. Mit dem Band Schatzhäuser der Romantik haben die Direktorin des Freien Deutschen Hochstifts, Anne Bohnenkamp-Renken, und Wolfgang Bunzel, Leiter der Abteilung Romantik-Forschung, gemeinsam mit der Projektleiterin des „Chronotopos Romantik“, Cornelia Ilbrig, pünktlich zur Eröffnung des Deutschen Romantik-Museums einen umfangreichen Museumsführer für die Museen, Wohnhäuser und Gedenkstätten der deutschen, österreichischen und schweizerischen Romantik vorgelegt. In einer ausführlichen Einleitung skizzieren die Herausgeber:innen Entwicklung und Bedeutung der romantischen Gedenkstätten- und Memorialkultur in Deutschland von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart und ordnen sie in das grundsätzliche Sammlungs- und Bewahrungsbestreben der Romantik ein. Eine ausführliche Vorstellung des neugegründeten Frankfurter Museums eröffnet den Band.

Die fünfzig Einträge folgen einem klaren Aufbau mit Abschnitten zu Ort, Fokus, Person(en) und Ausstellung. Die Rubrik „Ort“ eröffnet die Einträge und führt zunächst in Bau- und Nutzungsgeschichte des Gebäudes ein, das die jeweilige Gedenkstätte beherbergt. Unter „Fokus“ werden Schwerpunkt und Anliegen der Ausstellung kurz vorgestellt. Der Abschnitt „Person“ stellt pointiert wichtige biographische Daten der Personen zusammen, denen die Museen gewidmet sind und denen die Gedenkorte als Wohn- und Arbeitsstätten dienten. Die Einträge fokussieren dabei die Bedeutung des musealen Ortes im Leben der Personen und verweisen auf Reminiszenzen an den Ort im literarischen Werk. Auch dort, wo mehrere Museen oder Gedenkstätten der gleichen Person gewidmet sind, gelingt es, den jeweiligen Ort in seiner biographischen Bedeutung herauszustellen und die Einträge einander ergänzen zu lassen. Unter dem Abschnitt „Ausstellung“ wird eine konzise Beschreibung der Ausstellungsgröße und des Ausstellungsaufbaus sowie der Art der Exponate (Autographen, Erstausgaben, Gemälde, Karten, Objekte, etc.) gegeben. Hier erfährt man auch, wo keine oder kaum Originale vorhanden sind. Zudem finden sich Informationen über Präsentationsformen und die museumspädagogische Aufbereitung (z. B. Schautafeln, Audio- und Multimediaguides, Video‑, Bild- oder Audioinstallationen, interaktive Exponate, etc.). Auch Informationen zur Entstehungsgeschichte der Sammlung und zum Ausstellungskonzept werden gegeben, sodass man sich vor dem Besuch ein detailliertes Bild von der Ausstellung machen kann. Am Ende jedes Artikels versammelt ein Infokasten neben der Anschrift und der Website des Hauses noch einmal wichtige Informationen, u. a. zu ausgewählten Veranstaltungen, Angeboten der Museumspädagogik, zur Barrierefreiheit, aber auch zu digitalen Angeboten oder zu wichtigen Publikationen und zu ergänzend angebotenen Stadtführungen, die in Zusammenhang mit der Person oder dem Personenkreis stehen, dem ein Haus gewidmet ist.

Aufgelockert werden die Einträge durch graphisch hervorgehobene Zitate der Dichter, Künstler, Musiker und Philosophen, die sich auf den jeweiligen Ort beziehen. Die zahlreichen Abbildungen in hervorragender Qualität sowohl von den Fassaden als auch von den Ausstellungräumen und ausgewählten Exponaten verleihen dem Band nicht nur die für einen Reise- oder Museumsführer unabdingbare Anschaulichkeit und wecken Neugier durch Illustrationen, sondern vermitteln auch einen guten Eindruck von der Konzeption der Ausstellungen. Ein Literaturverzeichnis im Anhang, das weiterführende Literatur nach den einzelnen Häusern geordnet verzeichnet, sowie ein Abbildungsverzeichnis komplettieren den Band und geben wissenschaftlich interessierten Leser:innen weiterführende Lektürehinweise.

Eine Leerstelle in der Gedenkstättenlandschaft fällt beim Durchblättern des Bandes auf, die auch die Herausgeber in der Einleitung beklagen (S. 22): Keines der heute vorhandenen fünfzig Museen ist – abgesehen von dem Bettina und Achim von Arnim-Museum in Schloss Wiepersdorf – einer Autorin oder Künstlerin gewidmet. Karoline von Günderrode, Rahel Varnhagen, Dorothea Schlegel, Caroline Schlegel-Schelling, Sophie Tieck (um nur einige der wichtigsten Namen zu nennen) – nicht wenige Frauen haben die Romantik geprägt. Dass man ihre Wirkungsstätten, persönlichen Gegenstände und Schreiborte, anders als jene ihrer männlichen Dichter- und Künstlerkollegen, nicht für erhaltenswert erachtete, hinterlässt in der heutigen Topographie der historisch erhaltenen Erinnerungsorte eine Lücke, die auf der materiellen Ebene nicht zu schließen ist. Gewiss sind gerade in den größeren oder allgemein der Romantik gewidmeten Museen in Frankfurt, Jena und Marburg auch die Frauen präsent; ein Museum, das ausschließlich einer oder mehrerer der Autorinnen der Romantik gewidmet ist, bleibt in der derzeitigen Museumslandschaft jedoch Desiderat. Dieses Fehlen in der Gedenkstättenlandschaft prägt damit auch weiterhin zumindest die populäre Rezeption der Romantik. In der literaturwissenschaftlichen Romantikforschung erfahren die Frauen der Romantik in einer an der Goethe-Universität Frankfurt ausgerichteten Workshop-Reihe unter dem Titel Kalathiskos. Autorinnen der Romantik gerade besondere Aufmerksamkeit. Es bleibt zu wünschen, dass diese Erweiterung des Kanons – nicht nur in Bezug auf die Repräsentantinnen der Romantik – künftig auch ihren Niederschlag in der Kulturvermittlung finden wird.

Es ist ein besonderer Vorzug des Bandes, dass neben den großen, bekannten Häusern auch kleine, wenig bekannte Museen vorgestellt werden, etwa die Jean-Paul-Stube in der „Rollwenzelei“ in Bayreuth, das Heine-Haus in Hamburg oder das Rungehaus in Wolgast. Der Museumsführer ist so auch eine Einladung zu Ausflügen an wenig bekannte Orte und Gedenkstätten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auch für Leser:innen, die mit den Werken der Autoren und Künstler bereits gut vertraut sind, bieten die bauhistorischen Ausführungen wertvolle Hintergrundinformationen und die Hinweise zu den Ausstellungen geben eine gute Orientierungshilfe vorm Besuch eines Ortes. Mit seiner klaren Gestaltung, seinem übersichtlichen Aufbau und den gründlich recherchierten, gut geschriebenen und sehr informativen Artikeln ist der Band ein hervorragender Museumsführer zu den Gedenkstätten und Museen der deutschsprachigen Romantik.

Rezension verfasst von Yvonne Al-Taie

 

Die Rezension ist unter dem nachfolgenden Link dauerhaft abrufbar: https://doi.org/10.22032/dbt.61407

Schatzhäuser der Romantik